DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 4 - Der Tod spielt nicht -


- I -


Man brachte die Leichen der Thalmor-Agenten in das Hauptquartier. General Tullius wies an, sie nach unten in die Katakomben der Kaserne zu bringen, wo sie zu weiteren Untersuchungen aufgebahrt werden sollten. Weiterhin schickte er einen Boten zu der Thalmor-Botschaft mit der Aufforderung, dass Estale noch heute im Kaiserliche Hauptquartier erscheinen sollte, um von ihm eine persönliche Stellungnahme zu erhalten. Der General ging mit zwei seiner Leibgardiste in sein Arbeitszimmer, wo Vittoria Vicci auf ihn wartete, seit sie ihn von dem Vorfall unterrichtete.

„Nun, werte Vittoria, erwarte ich eine Erklärung Eurerseits! Wie ist das geschehen? Wer war das? Wart Ihr das etwa? Dann erklärt Euch! Ich bin sehr gespannt, was jetzt noch alles auf mich zukommen sollte. Habe ja nicht schon genug mit den anderen mysteriösen Todesfällen zu tun!“

Aber in ihrem Gesicht sah er einen Blick, der ihn leicht frösteln ließ. Diesen kannte er nur zu gut, seit er als General auch mit gewissen Gruppierungen des Militärs zu tun hatte. Er nickte ahnend und schickte die zwei Prätorianer vor die Tür, mit der Anweisung, niemanden herein zu lassen. Als nur noch der General und die Frau allein im Raum waren, öffnete Vittoria ihren bis zum Boden reichenden Umhang und entblößte das, was sie darunter trug. Tullius Augen wurden größer, als er die Zeichen auf der Uniform erkannte. Die kannte er aus dem Kaiserlichen Palast in Cyrodiil, zwar war der Schnitt und das allgemeine Aussehen dieser Rüstung an ihr neueren Ursprungs, aber trotzdem unverkennbar. Es war eine Uniform des ehemaligen Geheimdienstes des Kaisers, der eigentlich gar nicht mehr existieren dürfte, weil dieser geächtet, gejagt und normalerweise vollständig von den Thalmor vernichtet wurde. Ungläubig ging er zu ihr.

„Soll das ein schlechter Scherz sein, werte Vittoria? Oder färben die Flausen meines Sohnes langsam auf Euch ab!? Ich...“

„Kein Scherz, kein Trugbild und mit Sicherheit hat Euer Sohn nichts damit zu tun. Ich bin in offizieller Funktion und mit Order des neuen und jungen Kaisers hier, auch wenn er gerade erst dazu ernannt worden ist.“

Um ihre Worte zu bekräftigen, reichte sie dem General ein Schreiben vom Kaiserlichen Hof, welches das offizielle Siegel des Hauses Mede trug. Immer noch vollkommen verblüfft und überrascht brach er das Siegel, öffnete das Schreiben mit leicht zittrigen Händen und begann den Inhalt zu lesen:

...

Der Inhaber/Inhaberin dieses Schreibens hat alle Vollmachten und Privilegien,

die Er/Sie zur Ausführungen meiner Order benötigt.

Er/Sie handelt in offiziellem Auftrag des Kaisers

und ist dazu von meinen Untergebenen uneingeschränkt zu unterstützen und den Befehlen,

die Er/Sie an meiner Stelle anordnen, sind dementsprechend Folge zu leisten.


Gezeichnet

Grassius Mede der I.

Als er das Schreiben gelesen hatte, schaute der Feldherr leicht blass werdend abwechselnd auf Vittoria und das Schreiben, welches der Feldherr ihr kurz danach wieder zurückgab. Aber seine Blässe währte nur kurz, dann nahm er eine respektvolle Haltung an und seine Fassung war wieder beherrscht. Trotzdem war der General immer noch irritiert, was dieser Auftritt zu bedeuten hatte. Aber Vittoria spannte ihn nicht auf die Folter, sondern begann sofort mit der Erklärung, nachdem sie sich hingesetzt hatte. Sie forderte ihn freundlich auf, es ihr gleich zu tun.

„Ja, die Klingen in ihrer ursprünglichen Form existieren wieder. Das war leider die letzte Amtshandlung von Titus Mede des II., bevor er heimtückisch ermordet wurde. Sein Sohn führt sein Vermächtnis als oberster Heerführer weiter. Dieser auferstandene Orden ist stärker, zahlreicher und motivierter als jemals zuvor. Gut, es war nicht leicht, das vor den Thalmor bis jetzt geheimzuhalten. Aber wir sind mittlerweile so stark, stärker als die Kaiserliche Armee selbst, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass wir dieses Geheimnis nicht mehr benötigen und dass die Thalmor sowie der gesamte Aldmeri-Bund es ruhig sehen und erfahren können. Denn nach der Krönung wird das offiziell. Das Kaiserreich hat lange genug deren Stiefel geleckt und es wird Zeit, sie dahin zu schicken, wo sie hergekommen sind.“

„Selbst ich habe es nicht bemerkt und selbst der alte Kaiser hat das vor mir geheimgehalten. Ich bin mehr als nur überrascht. Aber noch mehr, dass Ihr die Überbringerin dieser Neuigkeit seid. Doch irgendwie passt das, nach allem was seit der Ermordung des Kaisers geschehen ist. Somit ist diese Überraschung mehr eine Offenbarung, die ich innerlich gewünscht habe. Weiß mein Sohn von Eurem Doppelleben, bzw. ist er darin involviert, habt ihr ihn dafür benutzt?“

„Nein, und das schwöre ich Euch! Ich liebe Euren Sohn aufrichtig und würde ihn sofort heiraten, wenn er endlich dazu bereit wäre. Und er hat keinerlei Ahnung, in welchem Auftrag ich eigentlich in Einsamkeit bin. Mir würde es sogar sehr gut gefallen, wenn er sich den Klingen anschließen würde. Denn solch einen Mann könnte der Kaiser sehr gut gebrauchen. Cidius wäre absolut dafür prädestiniert, im Geheimdienst des Kaisers zu dienen. Aber ich würde ihn der Liebe wegen nie dazu zwingen, sicher nicht!

Meine Urahnen waren schon „Klingen“ und hochrangige Mitglieder dieses Ordens. Ich wurde in Cyrodiil geboren, bin am Hofe des Kaisers groß geworden und wollte schon immer so werden, wie meine Ahnen. Aber durch die Ächtung durch den Aldmeribund war das bis vor einigen Jahren nicht möglich. Bis der letzte Kaiser diesen ehrbaren Orden zum Leben erweckte und ich ihm sofort beitrat. Seitdem sind wir den Thalmor stets im Nacken und verfolgen ihr Treiben. Und wenn es sein muss, beispielsweise wie die Befreiung des Wirtes und seiner Bardin, dann werden wir auch aktiv. Ja, wir haben diese Thalmor-Agenten auf den Gewissen.“

„Was wollten die Agenten von den Beiden? Was haben denn die Thalmor vor?“

„Das weiß ich noch nicht und Corpulus war nach der Folterung noch nicht fähig, etwas dazu zu sagen. Bin mir auch nicht sicher, ob er überhaupt durchkommt, so wie sie ihn behandelt haben. Aber wenn ich etwas erfahren sollte, dann seid Ihr der Erste, den ich davon unterrichten werde. Nur bitte ich Euch, Stillschweigen darüber zu bewahren, vor allem, wenn Estale zu Euch kommen sollte, was Ihr ja vorhin angeordnet hattet. Auch Eurem Sohn solltet Ihr dazu nichts sagen, wenn, dann mache ich es selbst, das bin ich meinem Liebsten schuldig. Am besten redet einmal mit Legat Rikke! Denn sie hat eine weit bessere Einstellung zu dieser ganzen Angelegenheit. Und nein, sie ist keine Klinge. Aber ihr Rat wäre für Euch, werter General Tullius, weitaus wertvoller, als das, was ich Euch bis jetzt dargelegt habe!“

Mit diesen Worten stand Vittoria auf und legte ihr Cape wieder an. General Tullius begleitete die Frau zur Tür und meinte, als er sich von ihr freundlich verabschiedete: „Mein Sohn kann sich wahrlich glücklich schätzen, wenn er Euch heiraten würde. Ich bin angenehm überrascht und sehr froh, dass Euch der Kaiser nach Einsamkeit geschickt hat. Auch wenn ich noch nicht alles verstehe, bin ich mir absolut sicher, dass das, was der neue Kaiser vorhat, das Reich zu neuem Ruhm und Glanz führen wird.“

„...und der sinnlose Krieg hier in Himmelsrand endlich ein Ende finden sollte!“, erwiderte die Geheimagentin, bevor sie endgültig das Zimmer des Generals verließ.


- II -


Währenddessen in der Thalmor-Botschaft


Die Wache der Botschaft hielt barsch den Kaiserlichen Boten zurück.

„Wisst Ihr eigentlich, wie spät oder früh es ist? Und ich soll es einfach so wagen, den Botschafter zu wecken? Warum eigentlich? Was ist so wichtig, dass ich das tun sollte?“

Der Überbringer der dringlichen Anweisung des Generals ignorierte den hochnäsigen Unterton der Hochelfen und erwiderte: „General Tullius erwartet Botschafter Estale zu einer persönlichen Stellungnahme in Bezug der zwei toten Thalmor-Agenten, die in der Taverne „Zum Zwinkernden Skeever“ gefunden wurden.“

Er war dabei sich umzudrehen und wieder in das Hauptquartier der Kaiserlichen Armee zurückzukehren, hielt aber inne, wandte sich nochmals zu der Botschaftswache um und sagte mit einem gefährlichen und respektlosen Unterton: „Heute noch!“

Dann ging er weg und beide Posten schauten ihm verblüfft nach.

„Hat hier schon jeder was zu melden, oder was? Hm, scheint aber wohl doch sehr wichtig und dringend zu sein! Willst du gehen und den Botschafter wecken oder soll ich es wieder machen?“, fragte der eine Wachposten den anderen.

„In Ordnung, ich mache es.“ antwortete sein Partner und verschwand durch den Eingang zur Botschaft.


In der Botschaft selbst war es ziemlich dunkel. Ein paar Kerzen beleuchteten den Eingangsbereich der großen Halle nur spärlich und die Aufmerksamkeit des Wachpostens war schon lange nicht mehr auf jener Höhe, wie sie es noch am Anfang der Schicht gewesen war. Deshalb auch geschah es, dass er völlig unvermutet mit Erzmagier Hecarilar zusammenstieß, der - von Schlaflosigkeit geplagt - in der Halle herumwanderte, bei dem Zusammenprall fast das Gleichgewicht verlor und drohte zu Boden zu stürzen.

„Was zum...!“, schrie er den Soldaten an. Der vermeintliche Verursacher des Zusammenpralls war selbst mehr als nur erschrocken und hatte Mühe, eine entsprechende Entschuldigung zu finden.

„Mein Herr! … Ich … ich wollte... !“, stammelte er vor sich hin und wurde sichtlich gereizt von dem alten Mann unterbrochen.

„Was wolltet Ihr, hä? Rennt hier rum und achtet nicht auf die Umgebung! Was für ein blinder Wachposten seid Ihr eigentlich?“

'Keiner ist blinder, als der, der nicht sehen will! Hättet ja selbst ausweichen können, törichter alter Mann!“, dachte der Soldat beleidigt bei sich. Aber er spielte den Respektvollen und antwortete: „Ich habe beunruhigende Nachtrichten für Botschafter Estale. General Tullius will ihn „Heute noch!“, so der Bote, sehen. Er soll Stellung nehmen, warum zwei seiner Agenten tot sind, die im Keller der Taverne gefunden wurden. Und warum man sich mit dem Wirt und der Bardin beschäftigt hatte.“

„Das klingt nicht gut! Aber egal, ich werde selbst zu Estale gehen und es ihm ausrichten. Ihr geht dahin, wo Ihr hergekommen seid und haltet Eure Augen offen. Nicht, dass Ihr noch gegen die Eingangstür rennt!“

„Jawohl, mein Herr!“, erwiderte der Posten, salutierte, drehte sich um und verließ die Botschaft. 'Macht selber Eure Augen auf und spukt nicht im Hause herum, Alter!', waren seine letzten Gedanken, als er das große Tor hinter sich schloss.


Estale fiel fast aus dem Bett, als er unsanft durch heftiges Klopfen an seiner Tür geweckt wurde und sein Meister unaufgefordert eintrat.

„Was ist den los, Hercarilar? Ist etwas passiert?“, fragte er den alten Mann, während er halb verschlafen aus dem Bett kroch und sich seinen Morgenmantel umlegte.

„Das frage ich Euch! Was hatten denn eure Agenten im „Zwinkernden Skeever“ zu schaffen?“

„Woher wisst Ihr davon...?“

„Das Zwitschern die Vögel des General Tullius vom Dach. Achso, und sie sind tot! Der General erwartet eine Stellungnahme von Euch. „Heute noch!“

Verärgert ob des unangenehmen Vorfalls ließ sich der Erzmagier in den Sessel fallen.

„Was sagt Ihr dazu, Estale! Gibt es etwas, was ich wissen sollte?“

„Ich... Nein... Ähm... Ja... Wir sind vielleicht von einem Argonier beobachtet worden, wie sich Umbacalm mit einer Assassine der Dunklen Bruderschaft getroffen hatte. Aber diese Echse wird nichts mehr sagen können, weil ich mich darum gekümmert habe. Leider haben wir nicht erfahren können, was nun dieser Kerl gesehen und gehört hatte oder wem er noch davon erzählt haben könnte. Mir kam zu Ohren, dass sich der Argonier mit dem Wirt des „Zwinkernden Skeevers“ auffällig unterhalten hatte. Ich habe selbst versucht, Corpulus zu befragen, wurde aber von ihn abgewiesen und von seiner Schlampe einer Bardin bedroht. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen und da dachte ich, es wäre ein Exempel angebracht. Diese zwei Agenten sollten sich also um den Wirt kümmern, um zu erfahren, was er eventuell von dem Argonier erfahren hatte. Und wenn seine Hure wieder Schwierigkeiten machen sollte, dann sollte man auch sie umlegen. Und das scheint wohl fehlgeschlagen zu sein. Nur wer hat diese Beiden umgebracht? Der Wirt zusammen mit ihr? Das glaube ich nicht! Dafür waren meine Männer einfach zu gut, als sich von diesen Zivilisten töten zu lassen.“

Dabei blickte er schuldbewusst auf seinen Meister.

„Anscheinend nicht gut genug, bei den Göttern! Mann, Estale! Ich schätze Euer Engagement sehr und Euer hartes Durchgreifen, wenn es um die Wahrung unserer Interessen und Angelegenheiten geht, ist beispiellos. Aber mir missfällt immer das Risiko, das Ihr meist dabei eingeht. Gerade jetzt können wir uns diese lästige Aufmerksamkeit nicht leisten. Das weckt schlafende Wölfe, die nur all zu gern darauf warten, uns eins auszuwischen. Also regelt das mit dem General in unserem Interesse und erstattet mir danach sofort Bericht. Verdammt! Gibt es sonst noch Neuigkeiten, die die jetzige Situation schlechter machen könnten?“

„Hmmm... Ich habe seit längerer Zeit nichts mehr von meinem Agenten am Hofe des Kaisers gehört. Und seine letzte Nachricht war vor einem Monat. Irgendetwas geht am Kaiserhof vor und man gibt sich große Mühe, es vor uns geheim zu halten. Und das, werter Hecarilar, gefällt mit ganz und gar nicht.“

„Bei den Göttern, Estale!“

Wütend stand der Erzmagier auf und ging auf den Botschafter zu. Aus seinen Augen schienen Blitze zu schießen, als er vor Estale zum Stehen kam.

„Was am Kaiserhof vor sich geht, interessiert mich zur Zeit soviel, als ob in Hammerfell ein Sack gefüllt mit Luft umfallen würde. Mich interessiert vielmehr, wie es hier in Himmelsrand endlich vorwärts geht! Oder habt Ihr vergessen, warum wir hier sind? Ich will dieses Land und niemand wird mich dabei aufhalten. Ist das klar?“, schnauzte Hecarilar barsch.

„Klar! Aber...“, versuchte der Botschafter dem alten Mann seine Befürchtungen nochmals nahezubringen.

„Ich will kein „Aber“ hören! Man verschwendet hier nur meine kostbare Zeit, man kommt hier nur sehr langsam weiter und mein Ziel ist immer noch nicht in Sicht. Und der junge Kaiser? ... Ist ein Grünschnabel, der versucht in die Fußstapfen seiner Vaters zu treten. Soll er ruhig machen, dann wird auch sein Weg dort enden, wo er ihn wiedersehen wird.

Hört zu, Estale! Der Jüngling ist weit weg und was immer er auch vorhaben sollte, wird nicht funktionieren. Er soll nicht glauben, nur weil er sich nun „Kaiser“ nennen darf, dass sein Geist schneller gewachsen ist als meiner. Bis zu seiner Krönung kann viel passieren. Sollte ich erfahren, dass er sich meinen Zielen in den Weg stellen sollte, wird er diese Zeremonie nicht erleben. So sehe ich das und niemand wird mich aufhalten, auch der Grünschnabel nicht! Wie auch immer, Ihr regelt das mit Tullius in unserem Sinne. Wir hatten nichts damit zu tun etc, etc, etc. Ihr macht das schon!“

Damit verließ der Erzmagier grußlos und mit zornigem Gesichtsausdruck das Schlafgemach des Botschafters.


'Ihr macht das schon! Tzzz! Der hat gut reden! Aber... keiner ist blinder, als der, der nicht sehen will! Hoffentlich irrt Ihr Euch nicht in dem „Grünschnabel“ von einem Kaiser!'. dachte sich Estale und schaute lange auf die Tür seines Gemachs. Unbewusst hatten der Botschafter und der Wachposten dieselben Gedanken. Nur das „Wie man dazu kam“, machte den Unterschied.


- III -


„DREM...YOL..LOK!...Guten Morgen, mein alter Freund! Bist ja schon ziemlich früh wach! Entschuldige mich mal kurz!“

Die langsame warme Stimme verklang, als dann kurz darauf ein Feuersturm aus seinem riesigen Maul kommen sollte. Aber nur eine kleine Flamme, gefolgt von einer schwarzen Wolke, die sich schnell auflöste, kam aus dem langen Schlund seines Halses. Er würgte verzweifelt, denn irgendetwas hatte sich in diesem Hals verklemmt. Es gelang ihm, sich davon zu befreien und das Übel flog in hohen Bogen über die Bergkante des „Halses der Welt“. Erleichternd aufatmend wandte er sich wieder an seinen alten Freund, der sich währenddessen auf die Bank vor der großen Wortmauer setzte.

„Tschuldigung! Das letzte Frühstück ist mir im Halse stecken geblieben. Aber du bist sicher nicht hier, um dich nach meinen Essgewohnheiten zu erkundigen, mein lieber Arngeir. Ich sehe es dir an und kenne dich nur zu gut. Irgendetwas bedrückt Dich, mein Freund. Ich spüre deine wehmütigen Gedanken. Lass hören, was Dich bekümmert!“

Der große Körper erhob sich majestätisch in die Lüfte und kurz darauf legte sich ein Schatten auf den sitzenden Körper des alten Mannes, als der alte Drache auf die erhabenen Steinmauer landete und dabei die aufgehende Sonne verdeckte.

„Du hast recht, mein Großer. Ich mache mir Sorgen um Himmelsrand. Kaum haben wir uns von dem letzten Zyklus des Drachenkrieges erholt, schon kommt das nächste Unheil über dieses Land. Gut, es betrifft nicht uns, besser gesagt, betrifft es uns noch nicht! Aber ich spüre eine Macht, die nach uns greifen will und unser Dasein missbrauchen möchte!“

„Ja, dieser Bürgerkrieg ist schlimm. Auch ich spüre eine dunkle Hand, die dieses wunderschöne Land nicht mehr loslassen möchte. Und ich glaube, dass du weißt, wem diese Hand gehört.“

„Erzmagier Hercarilar von den Thalmor! Ein giftiger alter und gefährlicher Mann, der schon lange nach diesem Land giert und alles versucht, sein Vorhaben auch umzusetzen. Und ich glaube fest daran, dass er dahintersteckt, der meinen alten Freund Savos Aren umbringen ließ.“

„Wie kommst du darauf, dass er der Auftraggeber war? Es ist nicht klug, sich durch falsche Anschuldigungen jemanden zum Feind zu machen. Wobei ich für mich die Thalmor schon lange dazuzähle.“

„Nicht nur für Dich, mein alter Freund! Schon damals, als das Drachenblut und ich die Friedensverhandlungen auf Hoch Hrothgar führten, konnte ich die Gedanken des alten Hercarilar förmlich fühlen, als man ihn des Saales verwies. Es gefiel ihm gar nicht, wie man mit ihm umging und dass ein Drachenblut es schaffte, dass beide Kriegsparteien ihr Waffen ruhen ließen, solange die Drachenkrise andauerte.

Der Erzmagier hatte die Macht gespürt, die von diesen Mauern ausgeht und die will er haben, will sie für sich vereinnahmen, koste es was es wolle. Denn diese Mauern, ein unbedeutendes Drachenblut und meine Wenigkeit haben es geschafft, Frieden nach Himmelrand zu bringen. Zwei Jahre hört sich nicht viel an, aber zwei Jahre, wo sich das Land etwas vom Leid und Schmerz erholen konnte, die durch den Bürgerkrieg über jeden Einwohner dieses Landes kam.

Als der Erzmagier mitbekam, welch eine Anziehungskraft und Macht von diesem Berg, von diesen heiligen Mauern, von uns ausging, ist er erpicht darauf, diese für sich zu beanspruchen. Und das ist es, was dieser Narr von einem Thalmor unbedingt haben möchte. Und dafür ist ihm wohl jedes Mittel recht. Schlimm genug, dass die Thalmor jeden versklaven und erbarmungslos jagen, der sich gegen ihre Interessen stellt. Aber seit der Krieg wieder fortgesetzt wurde, ist es kein Bürgerkrieg mehr. Hier kämpfen nicht Kaiserliche und Sturmmäntel gegeneinander, nein! Die Imperialen sind nur Mittel zum Zweck, der wahre Feind für Ulfric und seine Mannen ist der Aldmeri-Bund, sind die Thalmor. Hercarilar will Hoch Hrothgar und alles was darin sich befindet und somit auch uns! Nur werde ich das mit Sicherheit nicht zulassen, dass durch uns ein zweiter Miraak geschaffen wird.“

„Hmmm!...“, der Drache legte eine Pause ein, als ob er sich die nächsten Worte genauestens überlegen würde. Doch dann wurde seine Stimme lauter und er fuhr fort:


„...ZEYMAH... KO... GEIN... GAF!... MAHFAERAAK!... Brüder in einem Geist!... Für immer!...

Ich sehe das genauso, mein alter Freund! Nur - und das bedenke dabei - wäre unsere Neutralität vorbei, welche unseren Glauben bis jetzt immer geleitet hat!“

Dabei schaute Paarthurnax Arngeir prüfend an.

„Wie kann man da noch neutral bleiben, mein Großer? Ich bin ein Kind dieses Landes, bin hier geboren und kann nicht länger zusehen, wie es leidet. Auch du lebst schon sehr lange hier und du liebst dieses Land und die Menschen, die es bewohnen.“

„Aber nicht nur die Sorge um deine Heimat bedrückt dich, da ist noch etwas anderes. Du vermisst deinen Schüler und Bruder im Geiste! Ich rede von Ulfric!“

„Ja... Nein... Ach ich weiß nicht... Einerseits vermisse ich ihn sehr, aber andererseits ist er von diesem Krieg so zerfressen, das er zwischen Freund und Feind nicht mehr unterscheiden kann. Ich habe schon zu oft versucht, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen, aber bis jetzt erfolglos. Doch ich spüre in ihm eine Müdigkeit, das Schwinden seiner Kräfte, seine Zweifel ob der Richtigkeit seines Handelns. Ich fühle, dass er Hilfe benötigt, bevor er und sein Land untergehen. Er weiß, das schafft er nicht mehr allein, aber traut sich nicht oder ist unfähig, um nach Hilfe zu fragen. Wie auch, von allen Seiten wird er angegriffen, werden Intrigen gegen ihn geschmiedet und die Schlinge, die dieser Erzmagier um seinen Hals legt, wird immer enger zugezogen. Er ist ein Gefangener seiner selbst und kann nicht mehr hinaus. Es sei denn, man bringt ihn endlich zur Vernunft und er tut das, was jeder hier in Himmelsrand ersehnt. Die Erfüllung des Wunsches nach Frieden.

Auch ich habe diesen Wunsch. Das Land muss endlich zur Ruhe kommen und die, die diesem Wunsch im Wege stehen, müssen endlich raus aus Himmelsrand. Und wenn es sein muss, auch mit Gewalt!“

„Hmmm!... Nicht dass du noch auf deine alten Tage zum Krieger wirst, mein Freund! So kenne ich dich gar nicht. Aber wie auch immer, ich verstehe deine Beweggründe und dieser Thalmor ist eine ernstzunehmende Gefahr, der Himmelsrand in eine tiefe Dunkelheit stürzen könnte. Und ja! Ulfric braucht Hilfe und ich weiß, dass ein junger Mann schon dabei ist, ihm mit seinen Freunden zu helfen. Aber das wird nicht reichen! Schicke eine Botschaft nach Windhelm, dass ich selbst mit Ulfric reden möchte, wenn du wirklich absolut sicher bist, dass wir uns in diesen Krieg einmischen und unsere Neutralität aufgeben sollen. Ich stehe hinter dir, mein Freund, egal, was du nun tun wirst.“

„Ich bin mir sicher und hoffe, dass sich Ulfric meine Botschaft zu Herzen nehmen und kommen wird. Danach sehen wir weiter.“

Arngeir stand auf und verbeugte sich ehrfürchtig vor Paarthurnax. Danach verließ er den Hals der Welt.

Der alte Drache schaute ihm lange nach. So hatte er seinen langjährigen Freund noch nie erlebt und reden gehört. Seine Gedanken gingen – unmerklich zuerst – auf eine Reise in die Vergangenheit.

„Ja! Ein Mensch war es, der uns und dieses Land vor Alduins Zerstörung bewahrte. Es wird Zeit, dass wir einen Teil dieser Schuld begleichen!“


- IV -


„Verdammt nochmal! …

Meine Zeit läuft ab und bin noch immer keinen Schritt weiter, um das zu verhindern. Und diese Hornochsen von einem Botschafter und mein Vetter bringen mit ihren Aktionen mein Ziel in Gefahr! …

Nein... Nein! So will ich nicht aus dieser Welt gehen! … So darf ich nicht abtreten!...

Ich will den Zugang zu den Drachengöttern... Ich will die Unsterblichkeit! ...

Sie kennen das Geheimnis des ewigen Lebens.

Oder Miraak! Aber dieser Weg war viel zu gefährlich, als sich mit diesem Irren einzulassen oder schlimmer noch, sich mit ihm zu verbünden. Wäre aber die letzte Alternative gewesen, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gegeben hätte.

Aber diese Alternative ist ja auch schon lange Geschichte, weil das letzte Drachenblut ihn tötete.

Also bleibt eigentlich nur noch der Weg über Hoch Horthgar. Nur werden die Graubärte mir garantiert nicht freiwillig den Zugang gewähren. …

Aber der Schlüssel für das Tor zur Erfüllung meines Wunsches ist in den Händen dieses Ordens. Und nur die Graubärte haben Zutritt zu den Drachengöttern.

Und nur sie können... NEIN, müssen mir dieses Tor öffnen und wenn ich dieses Wissen aus jedem einzelnen Graubart herausreißen müsste...

Aber da ist noch Ulfric Sturmmantel, mein Erzfeind! Er war einer von denen. Also hat er Kenntnisse darüber, wie man zu jenen mächtigen Wesen gelangen kann.

Ich habe die unglaubliche Aura dieser Mauern gespürt. Die Macht, die in diesem Kloster verborgen ist und nur den Würdigen, einem Drachenblut, gewährt man dieses Wissen. …

Bin ich würdig? Papperlapapp! Das sollte nicht die Frage sein! Mein Wille ist die Antwort!...

Ulfric war einer von denen und er kann mir den Weg weisen, wie ich Zutritt zu den Drachen bekomme. Deshalb brauche ich diesen Mann! Deshalb muss ich ihn in die Knie zwingen und wenn es sein muss, ihn dazu zwingen, mich dorthin zu führen, oder ich vernichte sein Volk, damit er nachgibt. Ich will ihn noch nicht tot sehen, nein. …

Erst dann, wenn ich den Zugang erlangt habe, wird er durch meine Hand sterben. Als Zeichen meines unbeugsamen Willens und meiner Zielstrebigkeit. ...

Ja, es werden alle sterben, die sich mir dabei in den Weg stellen wollen oder werden. …

Meine Zeit läuft ab! ...

Ich muss die Angelegenheit beschleunigen, das dauert mir zu lange. Muss selbst aktiv werden, bevor es zu spät ist und mein Leben zu Ende geht. …

Denn ich habe noch so viel vor. Will, dass ganz Tamriel mir gehört. Nur mir allein!

Und niemand wird mich daran hindern oder versuchen mich aufhalten zu wollen. Den werde ich einfach zerquetschen, wie ein lästiges Insekt!“

...

Hercarilar blieb in seinem Arbeitszimmer stehen und beendete seinen inneren Monolog. Er starrte auf seine Hand, die zu einer Faust geballt war, um seinen letzten Worten Ausdruck zu verleihen. Dabei schweiften seine Augen in Richtung des Feuers im Kamin. Diese Augen nahmen einen irren Schein an und dann rief er voller Entschlossenheit aus: „Ja, Himmelsrand wird brennen, wenn man mich nicht zur Unsterblichkeit führt!“