DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 4 - Der Tod spielt nicht -


- V -



Der Einspänner erreichte die verlassene Hütte mitten im Sumpf, nahe Einsamkeit. Der Mann im Narrenkostüm stieg vom Bock und überprüfte, ob der Sarg seiner Mutter noch sicher befestigt war. Dabei streichelte er die ebenholzfarbene Totenkiste, sein Blick nichtssagend und starr, aber trotzdem mit einer gewissen lieblich verwirrten Zartheit.

Nebelschwaden stiegen aus dem Wasser und glitten über den leichten Schneebelag des Moorbodens, welches zeigte, das hier die Grenze zum ewigen Eis war. Die aufgehende Sonne hatte wohl schon das seichte Wasser soweit erwärmt, das der dabei entstandene Dampf, vom Wind getragen sich über den festen Boden bewegte und sich mit dem Morgennebel vermischte.

Der Auftragskiller ging langsam zur Hütte, aufmerkam um sich schauend und stellte dabei aber fest, dass seine übertriebene Wachsamkeit nicht vonnöten war. Weit und breit war niemand zu sehen oder zu hören. Nur Vogelgezwitscher und entferntes Quaken von Fröschen waren die einzigen Laute, die man im Umfeld der unheimlichen Hütte vernehmen konnte.

Er ging nicht in das Holzhaus, sondern an ihm vorbei und blieb vor einem Baumstumpf stehen, der am Rande eines kleinen Tümpels stand. Seine geschulten Augen verrieten ihm, dass vor kurzem jemand hier war. Es handelte sich um ein gutes Versteck, wo man Nachrichten jeglicher Art hinterlegen konnte. Das tote Holz war so unauffällig, dass niemand hier einen „Briefkasten“ vermuten würde, der davon nichts wusste. Ein nur dem Assassinen bekanntes Zeichen verriet ihm, dass eine Botschaft bereitlag. Er schob die verrottete und etwas lose Baumrinde beiseite, befreite den Schlitz einer langen Kerbe von dem Moos, welches das Versteck tarnte und wie vermutet fand er darin ein Pergament mit dem Zeichen der Bruderschaft. Dabei wieder um sich blickend, entfaltete er die Botschaft und nachdem er sich vergewissert hatte, dass er wirklich allein war, las er die neue Order, die ihn betraf:


Mein Bruder Cicero!

Gehe nach Windhelm und beschatte einen Kaiserlichen

namens Cidius Tullius und seine Freunde.

Sollte Dir dabei auffallen, dass irgendetwas Verdächtiges passieren sollte,

was uns und unserem Auftraggeber schaden könnte,

dann weißt Du, was zu tun ist.

Was Du auch immer für notwendig erachtest, beseitige das Problem.

Wenn es sein muss, auch den Sohn des Generals und seine Kameraden.

Wir verlassen uns auf Dich!


Deine Schwester Astrid


Cicero legte den Brief zusammen und verstaute ihn in seinem Kostüm. Dabei sah er in die Sonne und seine Augen wurden zu gefährlichen Schlitzen. Es war nicht nur das Strahlen des Himmelskörpers, was ihn dazu zwang, sondern auch die Gier das zu tun, wofür er geschaffen wurde. Das Handwerk, das er bestens beherrschte. Nichts anderes besagte das Schreiben seiner Schwester.

In ihm stieg eine irre Freude auf und er ging schnell auf seine kleine Kutsche zu. Er sprang auf den Bock, mit einem Schnalzen brachte er das Pferd dazu, loszutraben und dabei den Wagen in die östliche Himmelsrichtung zu drehen, dahin, wo es nach Windhelm ging.

„Keine Sorge Schwester! Mutter wird schon aufpassen, dass ich deinen Auftrag zu deiner Zufriedenheit ausführen werde!“

Während er das zu sich selbst sagte, verzog sich sein Mund erneut zu einem irren Grinsen.


- VI -


„Das Spitzohr schweigt immer noch wie ein Grab!“


„Von wem sprecht Ihr, werter Ulfric?“, kam es Cidius überrascht über die Lippen, als er vor dem Thron des Palastes der Könige stehenblieb.

Der König blickte erschrocken auf, er hatte das Erscheinen des Sohnes von General Tullius und seiner Kameraden nicht bemerkt. Viel zu müde war er, als er sich kurz vorher in den Sitz des Königs fallen ließ. Man konnte es ihm förmlich ansehen, dass es eine lange Nacht war. Auch sein Stellvertreter Yrsarald Dreifach-Durchstoßen machte denselben Eindruck. Man konnte sehen, dass er Schwierigkeiten hatte, sich gerade zu halten.

„Ihr kommt genau richtig, vielleicht könnt Ihr ja mehr aus ihm rausholen.Und keine Sorge, der Kerl ist noch in einem Stück und lebendig. Auch wenn es mir gewaltig in den Händen gejuckt hat, ihn mir persönlich vorzunehmen und wir ihm ausführlich dargelegt haben, wie die Folter aussehen könnte, knickte er nicht ein. Ja, ich konnte mich beherrschen, denn ich wollte unbedingt erfahren, was die Thalmor vorhaben. Aber bis jetzt erfolglos. Und das ist der Grund meiner und meines Stellvertreters Müdigkeit. War eine lange Nacht. Aber auch Ihr scheint wohl erfolgreich gewesen zu sein, mit dem Kult von Boethiah.“

„Ja das waren wir, mehr oder weniger.“

Und Cidius erzählte dem König der Nord, was sich auf dem Berg abgespielt hatte. Als er damit fertig war, kam er etwas neugierig auf die Anfangssituation zurück.

„Von wem sprecht Ihr nun die ganze Zeit? Mit wem soll ich mich unterhalten? Was ist hier passiert?“

„Entschuldigt, ist wohl meine Müdigkeit, die mich etwas undeutlich werden ließ. Ich bin Eurem Verdacht persönlich nachgegangen und bin von Eurem Blick für das Verdächtige abermals beeindruckt worden. Ja, der neue Erste Verzauberer ist ein Thalmoragent. Hergeschickt von meinem Erzfeind Hercarilar. Dieser alte Hurensohn dürfte Euch ja noch bekannt sein, oder?“

„Ja, von der Friedensverhandlung auf Hoch Horthgar, vor zwei Jahren. Dann scheint er wohl der Drahtzieher zu sein...“

Dabei erinnerte sich Cidius noch sehr gut an den Wutausbruch des alten Mannes, als man ihn von den Verhandlungen ausschloss.

„Dass er dazu fähig ist, steht außer Frage. Und unsere Vermutungen, dass er der Ausgangspunkt sein könnte, verdichten sich immer mehr. Seht selbst!“

Abermals holte Ulfric die Beweise hervor und gab sie dem jungen Mann, welcher diese sehr interessiert sofort untersuchte. Dabei fuhr der König fort:

„Also, dass die Thalmor dahinterstecken, steht wohl mittlerweile außer Frage. Und sie haben wohl dabei keine Wege und Mittel gescheut, ihre Absichten auch umzusetzen. Sie bedienen sich dabei Gruppierungen und Fraktionen, die ohnedies auf der bösen Seite stehen und einen Nutzen daraus ziehen. Deren Agenten so gut geschult sind, das sie wohl auch jeglichem Verhör standhalten können. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll, zu viel passiert um mich herum, wo ich mich nicht mehr entscheiden kann, was nun Wichtiger wäre!“

Cidius blickte auf, sah den König an und konnte spüren, wie schwach sich der Mann im Augenblick fühlen musste.

„In der Tat! Hier gehen Dinge vor sich, die unseren Horizont übersteigen. Wir müssen aufpassen dass, wenn wir etwas dagegen tun wollen, wir nicht selbst dieser Gefahr zum Opfer fallen. Wenn es wirklich die Thalmor sind - und diese Beweise bestätigen es - die hinter all dem stecken, sollten wir unsere nächsten Schritte mit Bedacht wählen. Ich werde mir erst einmal dieses 'Spitzohr' vorknöpfen. Aber bevor ich das mache, und ich spreche wohl im Namen aller Anwesenden hier, sollten wir uns für ein paar Stunden hinlegen und ausruhen. Denke, das können wir alle im Moment gebrauchen. Oder wie seht Ihr das, werter Ulfric Sturmmantel?“

Der Angesprochene nickte nur, stand langsam auf und erwiderte:

„Das ist das erste Vernünftige, was ich heute morgen zu hören bekomme. Und in der Tat, das können wir alle gebrauchen. Treffen wir uns in ein paar Stunden hier wieder und dann geht es an das Eingemachte. Denn es reicht jetzt. Hier geht um es Himmelrand, nicht nur um uns. Ich soll verflucht sein, sollte ich weiter zulassen, wie diese verdammten Thalmor unsere Brüder und Schwestern behandeln und uns unsere Heimat wegnehmen wollen. Nein! Das werde ich nicht länger dulden! So wahr ich hier stehe und Ulfric Sturmmantel heiße!“

Es zog in den Thronsaal eine unheimliche Stille ein, als dieser sich nach den Worten des Königs geleert hatte.

Es war die sprichwörtliche 'Ruhe vor dem Sturm'.


- VII -


„Wie geht es ihm?“

Vittoria blieb vor dem Wirt stehen, den man auf einen langen Tisch im Versteck gebettet hatte. Besorgt dreinblickend betrachtete die Kaiserliche Agentin den schlafenden Mann. Er sah schlimm aus. Es gab keine Stelle im Gesicht, die nicht bei der Folterung der zwei Thalmor ausgelassen wurde. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie der Rest von ihm aussah. Mitleid überkam sie.

„Er hat mehrere Frakturen neben den Blutergüssen erleiden müssen und ich musste mehrere tiefe Wunden nähen. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist. Die Rippenbrüche machen mir am meisten Sorgen, weil sie innere Blutungen hervorriefen, deren Aufhalten mir unmöglich ist. Er müsste dringend zu einem Heiler oder in einen Tempel, wo ihn Kundige behandeln könnten. Ich kann es nicht und wenn, dann sicher nicht hier...“

„JA! Wenn sich diese Schweine jemanden vornehmen, dann machen sie es wahrlich ausgiebig und mit wachsender Begeisterung. Du hast recht, auch wenn wir damit ein großes Risiko eingehen und den Thalmor eine weitere Möglichkeit geben könnten, sich ihn noch einmal vorzunehmen. Ich habe mit dem General gesprochen. Bringt Corpulus in das Lazarett der Kaiserlichen Armee. Dort wäre er am sichersten aufgehoben. Und ich denke, nein bin mir sicher, dass man ihn auch dort vor den Thalmor beschützen wird. Damit können diese Dreckskerle erst einmal nichts unternehmen, was dem Mann weiterhin schaden könnte. Das würde zu viel Wirbel machen. Und so dumm sind diese Hochelfen mit Sicherheit nicht.“

„Wer seid Ihr eigentlich und Vittoria, was spielst du denn hier für eine Rolle? Aber vielen Dank für die Rettung, die kam in letzter Sekunde!“

Es war Lisette, die Bardin, welche den Raum betrat, während gleichzeitig die Sanitäterin die Kammer verließ, um Hilfe zu holen für den Abtransport des Mannes in das Militärlazarett.

„Wer wir sind, spielt zur Zeit keine Rolle. Aber ich versichere Euch, wir sind die Guten! Und nichts zu danken, das war selbstverständlich, Euch aus den Fängen der Thalmor zu reißen. Aber Ihr wart sehr mutig, dafür habt Ihr meinen absoluten Respekt!“

Vittoria ging zu der jungen Frau, nahm sie in die Arme und führte sie dann zu einem kleinen Tisch, wo sie sie freundlich aufforderte, sich zu setzen.

„Ich weiß langsam nicht mehr, was oder wer nun Gut oder Böse ist. Ich komme mir vor, als ob ich in einer unwirklichen Dimension wäre...“, erwiderte die junge Frau, als sie sich auf den Stuhl fallen ließ. Auch Vittoria nahm neben ihr Platz. Sie sah zwar die Verbände an den Handgelenken der Bardin, aber sonst schien sie äußerlich in Ordnung zu sein.

„Wie geht es Euch?“

„Äußerlich wird das schon vergehen, aber innerlich? … Ich weiß nicht... das war ein Alptraum...“

Lisette begann leise zu weinen.

„Was wollten denn die Agenten von euch? Wißt Ihr vielleicht, warum Ihr die Aufmerksamkeit der Thalmor auf Euch gezogen habt?“

„Was Corpulus angeht weniger, nur dass man am Wissen eines Argoniers interessiert war und worüber man sich an besagtem Abend so angeregt unterhalten hatte. Er erwähnte nur, dass dieser Gulum-Ei einen Brief an seinen Freund in Rifton schrieb und dort alles drinstehen würde, was er gesehen hatte. Aber das alles hat er nicht den Thalmoragenten verraten. Corpulus ist manchmal ein Narr und ein viel zu gutmütiger Mann, aber seit uns Estale gestern zur Rede stellen wollte, zeigte er einen mir bisher unbekannten Mut. Da merkte ich, wie abgrundtief er die Thalmor hasst. Ich war wohl nur Kollateralschaden, zur falschen Zeit am falschen Ort und wollte einfach meinem Arbeitgeber helfen. Ich habe den Botschafter mit einem Messer bedroht und das sollte wohl dann die Strafe dafür sein. Aber ich würde das immer wieder tun. So bin ich eben!“, schluchzte sie.

„Das war sehr mutig, Lisette! Und das macht nicht jeder, vor allem wenn es sich dabei um die Hochelfen handelt. Ich glaube, dass dieser Argonier von den beiden Mistkerlen umgebracht wurde und dass sie auch von ihm nicht erfahren haben, was sie wissen wollten; daher nahmen sie sich euch vor. Und dass dieser besagte Brief noch nicht ihn ihre Hände gefallen ist, sonst hätte man euch vielleicht in Ruhe gelassen. Da das aber Corpulus nicht verraten hat, wäre es für uns absolut wichtig, an den Inhalt dieses Brief zu kommen. Was darin drin steht, was auch immer Gulum-Ei erlebt haben sollte, scheint wohl von so großer Wichtigkeit zu sein, dass das die Thalmor aufschreckte und sie nun alles versuchen, an dieses Wissen zu kommen.“

Die junge Frau sah, wie es bei ihrem Gegenüber brodelte und wie sie krampfhaft versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.

„Wie auch immer...“, fuhr die Agentin fort, „ich selbst kann mich nicht darum kümmern, das würde auffallen. Ich hoffe, dass mein Liebster bald zurückkehrt. Denn das würde ihn mit absoluter Sicherheit interessieren…“

„Ihr sprecht von Cidius, den Sohn des Generals, oder?“

„In der Tat! Mögen die Götter ihn schnell zu mir bringen! Lisette, was wollt Ihr jetzt tun? Ich glaube kaum, dass Ihr hier im Versteck bleiben wollt. Obwohl es mir erst einmal lieb wäre, denn die Gefahr ist noch nicht vorbei!“

„Ich werde in die Taverne zurückgehen und diese weiterführen, solange Corpulus weg ist. Wer soll es sonst machen, wenn nicht ich? Und ja, ich weiß ob der Gefahr, in die ich mich dadurch bringen werde. Nur, die Thalmor sollen ruhig kommen. Ich habe noch eine Rechnung mit denen offen, aber ich werde dabei nicht allein sein. Auch ich habe Freunde, die mir sicherlich dabei helfen werden, wenn die Hochelfen es noch einmal wagen sollten, mich anzufassen. Ich werde mich mit Sicherheit nicht verstecken. Das ist nicht meine Art, Vittoria!“

„Also gut. Und seid auch von unserer Seite unbesorgt. Auch wir werden Euch nicht aus den Augen lassen und wir werden da sein, wenn sich die Thalmor blicken lassen sollten. Was ich mir aber zur Zeit nicht vorstellen kann, dafür haben sie für zu viel Aufmerksamkeit gesorgt, als denen recht wäre. Was uns aber nur recht sein kann.“

„Danke nochmal für Eure Hilfe, Vittoria! Das werde ich Euch nie vergessen und ich stehe für immer in Eurer Schuld!“

Beide Frauen standen auf, gaben sich zum Abschied die Hand, was in eine freundschaftliche Umarmung überging und danach verließ Lisette das Versteck. Vittoria blickte nachdenklich auf den blutverschmierten Tisch, wo noch vor kurzer Zeit Corpulus gelegen hatte. Die Männer, die den schwerverletzten Wirt hinaustrugen, müssten mittlerweile das Lazarett erreicht haben.

„Cidius, mein Liebster, ich hoffe, du kommst bald zurück, denn ich brauche dringend deine Hilfe!“


- VIII -

 

Dem Erzmagier war nicht nach Schlaf zumute, auch wenn sein Aussehen förmlich danach schrie.

Um seine Augen waren dunkle Ringe erkennbar, ein Merkmal dafür, dass er seit vierundzwanzig Stunden nicht zur Ruhe gekommen war. Grund dafür waren seine aufgewühlten Gedanken, die den alten Körper und Geist daran hinderten, die ersehnte Entspannung zu finden. Und die letzten Ereignisse verbesserten seinen Zustand nicht im Geringsten. Nervös ging er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Auch der Alkohol, den er schon wieder zu sich nahm, brachte nicht den gewünschten Erfolg, um seine innere Unruhe darin zu ertränken.

Erneut sollte der Weinbecher die Flugbahn in Richtung Kamin vollziehen, den er in der Hand hielt, doch Hercarilar besann sich, als er merkte, dass es der letzte Becher war, den er noch zum Trinken hatte.

Also hatte damit dieses Trinkgefäß die einmalige Chance bekommen, weiter zu dienen und nicht Opfer der Flammen zu werden so wie seine Brüder, die ihm vorausgegangen waren. Schwer ließ sich der Erzmagier in den Sessel vor seinem Schreibtisch fallen und nahm die letzten Berichte in Hand. Die Dunkelheit um seine Augen schien zuzunehmen, als er die Berichte las. Es waren wieder unbefriedigende Nachrichten seiner Agenten, speziell die aus Markarth und Rifton. Die Aktionen, die sie vollzogen hatten, überbrachten dem äußerst gereizten Greis nicht die gewünschten Erfolgsmeldungen. Wieder schnappte er sich den Becher und wollte ihn wütend in den Kamin werfen, doch wieder überdachte er sein Tun und füllte ihn lieber mit Wein auf.

„Muss ich alles selber machen? WACHE!“ schrie er die Tür an. Der Posten vor seiner Tür stürmte herein.

„Mein Neffe Umbacalm soll sofort zu mir kommen. Und mir ist es egal, wenn er dabei aus dem Bett fällt! Aber ich will ihn sofort sehen!“

So schnell wie die Leibwache hineingestürmt kam, so rasch war er auch wieder verschwunden. Keine fünf Minuten später stand der halb verschlafene Mann im Zimmer seiner Onkels und es war ihm anzusehen, dass ihm das sehr missfiel.

„Was soll das, Onkel? Wenn du nicht zu schlafen vermagst, dann lass wenigsten den Anderen ihre wohlverdiente Ruhe!“

„Wohlverdient? Dass ich nicht lache! Deine letzten Berichte klingen nicht nach 'wohlverdient'. Oder wie soll ich diesen Mist verstehen, hä? Keine erwünschte Reaktion in Markarth und Rifton, man tut so, als ob nichts passiert wäre oder es scheint zumindest keinen zu interessieren.“

Jetzt war es Umbacalm, der äußerst gereizt den alten Mann anfuhr und ihn unterbrach.

„Das war doch deine Idee! Ich habe versucht, dich davon abzubringen, aber du hast ja nicht auf mich hören wollen. Reach und Rift gehören zwar den Nord, stehen aber nicht unter ihrer Kontrolle.

Es sind Randbezirke von Himmelsrand, wo eh andere Fraktionen und Gruppen das Sagen haben, denen man lieber zur Zeit aus den Weg geht und sie machen lässt. Die Sturmmäntel haben genug mit den Kaiserlichen zu tun. Schon vergessen?

In Reach schenkt man den Abgeschworenen mehr Beachtung als den Auswirkungen des Bürgerkrieges. Und im Rift? Da herrscht die Diebesgilde, in die auch Maven Schwarzdorn involviert war. Sie sollte zwar der nächste Jarl werden, aber wie schon gesagt, das interessiert im Augenblick keine Menschenseele in diesem Land.

Diese Aktionen waren zu weit weg von Ulfric und seinen Sturmmänteln. Aber nein! Du musstest ja unbedingt dort aktiv werden. Und wage es jetzt ja nicht, mir zu widersprechen. Ich habe es langsam satt, dein Prügelknabe zu sein, wenn irgendetwas nicht nach deinem Willen passiert. Ich...“

„Nun halte mal die Luft an, Jüngling! Niemand wagt es so mit mir zu sprechen, auch du nicht! Ist das klar genug?“, unterbrach ihn der Erzmagier und warf wütend die Berichte des jungen Thalmor auf den Boden.

„Auch wenn du vielleicht recht hast, heißt es noch lange nicht, dass du so mit mir reden kannst! Wer bin ich denn, hä? Deine Berichte taugen nur zum 'Arsch abwischen', nichts Halbes und nichts Ganzes. Einzig der Tod des Erzmagiers in der Akademie und die Aktion des Agenten in Windhelm brachten einen erhofften Erfolg. Zumindest kann ich mich dabei besser auf die Dunkle Bruderschaft verlassen, als auf dich! Die wissen wenigstens, wie man Befehle zufriedenstellend ausführt. Aber in Windhelm ist jetzt dieser verdammte Sohn des Generals und steckt seine Nase in Dinge, die ihn besser nichts angehen sollten. Aber das wird sein letzter großer Fehler gewesen sein. Ich habe mich selbst darum gekümmert und ich glaube fest daran, dass die Assassinen mich nicht enttäuschen werden...“

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du willst dich mit General Tullius anlegen, dann ohne mich! Ich glaube es einfach nicht! Wir hatten bis jetzt diesen Mann gut im Griff…

Den Kaiser umzubringen war eine Sache, denn der hatte wenig hier zu schaffen. Aber den Sohn des Befehlshabers hier in Einsamkeit töten zu lassen ist absolut irrsinnig, Onkel! Damit weckst du einen Wolf, der immer noch im Schafspelz wandelte und uns bis jetzt immer gut zu Diensten war. Da mache ich nicht mit...“

„Dann scher dich aus Himmelsrand fort und verkrieche dich unter dem Rockzipfel deiner Mutter, aus dem ich dich hervorgeholt habe! Dann kannst du vergessen, an meiner Seite eine Macht zu erlangen, die niemand sonst erreichen wird. Geh und lass besser die Männer die Arbeit verrichten, zu der du nicht fähig zu sein scheinst. Geh mir aus den Augen, sofort!“

Mit einer verächtlichen Handbewegung seiner Aufforderung Nachdruck verleihend und von ihm abgewandt, schickte er seinen Neffen aus dem Arbeitszimmer. Er merkte nicht, wie es gefährlich in den Augen des jungen Mannes blitzte.

Hercarilar sah nicht die Veränderung, die deutlich im Gesicht von Umbacalm vor sich ging, als er noch sekundenlang im Gemach stehenblieb und auf seinen Oheim blickte. Der Erzmagier merkte auch nicht die Entschlossenheit des jungen Mannes, als dieser das Zimmer verließ.

 

„Auch der General wird seinem Sohn folgen, falls er sich gegen mich stellt und sich meinen Befehlen widersetzt! Alle werden ihm folgen, die es wagen sollten, sich meinem Willen zu entziehen!“

Dieses Mal war es nun endgültig um den letzten Weinbecher geschehen. Auch er folgte seinen Artgenossen aus einem irren Wutausbruch seines Besitzers heraus in den Kamin und schmolz in dessen glutheißen Flammen zu einem flüssigen Etwas zusammen, bis danach aus dem Silber nur mehr ein schwarzer Fleck wurde.