DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 3 - Der Tod versucht nicht -


- XVII -


„Unser Angriff erfolgt beim Morgengrauen! Während ich allein in das Lager gehe, werde ihr das Lager umstellen, so gut es geht. Ich hoffe nur, dass viele der Anhänger schlafen werden. Faendal, du wirst dich mit einem weiteren Bogenschützen auf den Felsen begeben, von wo aus wir die Stätte beobachtet haben und mir von da aus Deckung geben. Ich werde die Aufmerksamkeit der Priesterin auf mich lenken und wenn der Augenblick passend ist, werde ich sie mir schnappen. Das wird euer Zeichen sein, wo ihr dann so schnell wie möglich, alle sichtbaren sechs Wachposten auf ihren erhöhten Positionen erledigen werdet, die wir gesehen haben. Und dann unterstützt unsere Leute, die das Lager stürmen werden. Engar kommt danach zu mir und wird mir dabei helfen, die Priesterin zu diesem Felsen zu bringen. Sie werden es uns nicht einfach machen und mit Sicherheit werden sie versuchen, ihrer Priesterin zu Hilfe zu kommen. Erledigt jeden, der das versucht! Daher werden wir schon kurz nach Mitternacht aufbrechen, um genug Zeit zu haben, unsere Stellungen einzunehmen. Aber denkt daran, erst wenn ich die Priesterin habe, beginnt ihr mit Eurem Angriff. Nicht vorher!“

Damit beendete Cidius seinen Plan des Angriffs auf den Kult von Boethiah.

„Klingt einleuchtend und fast gesprochen wie ein alter Stratege. Man merkt schon, wer dein Vater ist, mein Freund! Aber ich finde es sehr gewagt, sich allein in den Rachen des Löwen zu begeben. Auch wenn es eine sehr gute Ablenkung darstellt!“

„Es muss uns gelingen, mehr Leute würden noch mehr Argwohn erzeugen. Ein Mann gegen ein ganzes Lager beruhigt die Situation und man kommt vielleicht viel einfacher an sein Ziel heran. Wir wissen ja nicht, wie man Kontakt mit dem Kult aufnimmt. Und wir haben keine Zeit, das herauszufinden. Es ist mir klar, dass das gefährlich ist, aber für mich scheint das im Moment die einfachste Lösung.“

„Also gut! Ich denke auch, das man dich nicht gleich umbringen wird. Ich bin aber in deiner Nähe, Cidius, falls doch etwas schiefgehen sollte.“

Der Nord gab sich mit dem Einwand des jungen Mannes zufrieden.

„So soll es sein, Männer! In vier Stunden brechen wir auf! Nutzt die Zeit, um euch auszuruhen und Kraft zu schöpfen. Das werden wir brauchen!“


- XVIII -


Die gespaltenen Zwillingstürme


„Ihr kommt spät, Galmar Stein-Faust!“ rief sie dem Mann zu, der die letzten Meter der Anhöhe überwand. Auf der Plattform angelangt, musste er stehenbleiben und sich kurz sammeln. Er holte ein paar Mal tief Luft und blickte um sich, während Legat Rikke auf ihn zukam.

„Man ist auch nicht mehr der Jüngste, geschätzte Gegnerin!“

Er lächelte bei den letzten Worten und richtete sich wieder auf.

„Aber ich bin sehr froh, dass Ihr hier seid, werte Legatin Rikke. Und Eure Männer können ruhig rauskommen...“

„Woher...?“

„...ich das weiß? Nun, meine Männer bewachen neben unseren Pferden auch Eure. Gut versteckt, aber nicht so gut, dass wir sie nicht gefunden hätten. Sei es wie es sei, dass ich nicht überwältigt oder getötet wurde, verdanke ich wohl dem Umstand, dass Euer Interesse an diesem Treffen sehr hoch sein muss. Aus persönlichem Respekt reiche ich Euch die Hand zur Begrüssung!“

Während er das sagte, streckte er seine rechte Hand vor. Die Offizierin zögerte noch etwas, doch dann begrüßte sie Galmar mit festem Handschlag. Beide Heerführer, die unterschiedlicher nicht sein konnten, standen einander friedlich gegenüber und zollten einander gegenseitigen Respekt, während der große Mond hinter den Ruinen der Zwillingstürmen aufging.

„Aber genug der Floskeln, werter Galmar Stein-Faust. Warum dieses ungewöhnliche Treffen, was wollt ihr damit erreichen?“

Die Frau lud den Nord ein, am Lagerfeuer Platz zu nehmen. Ihr war seine Freundlichkeit nicht geheuer. Sie schaute sich ein paarmal verstohlen um, als ob sie mit einem Angriff rechnete.

„Keine Sorge! Es ist wirklich nur ein persönliches Treffen und kein Hinterhalt...“

Er setzte sich auf den provisorischen Sitzplatz, der aus einem dicken Holzbalken bestand und mit Fellen gepolstert wurde.

„Die Zeit ist im Wandel, Legatin. Und die letzten erschütternden Ereignisse zwingen uns dazu, andere Wege einzuschlagen, andere Alternativen zu suchen, um vielleicht den lang ersehnten Frieden über Himmelsrand zu bringen. Ich hatte diverse Schwierigkeiten, eine Möglichkeit zu finden, um das von mir selbst anberaumte Treffen einzuhalten. Ihr kennt ja Ulfric Sturmmantel. Es war nicht leicht, ihm etwas vorzumachen, vor allem in der Hinsicht, sich mit dem Feind zu treffen. Obwohl ich ahnte, dass er davon Wind bekam, ließ er es zu, was mich sehr überraschte. Aber das ist nun mein Problem und nicht Eures. Mein Anliegen ist, dass wir versuchen sollten, die Kampfhandlungen einstellen zu lassen, ohne dass eine bestimmte Seite etwas davon merkt. Und zwar solange, bis wir alle hier in Himmelrand wissen, wer für diese Attentate verantwortlich ist. Wir Nord sind es mit Bestimmtheit nicht, das versichere ich Euch. Auch Ulfric Sturmmantel ist der Meinung, dass eine andere Macht die Fäden zieht und hat eigene Untersuchungen veranlasst. Er und Cidius, der Sohn Eures Befehlshabers, vermuten die Thalmor dahinter. Noch haben wir keine Beweise für diese Vermutungen, aber vieles deutet darauf hin. Vielleicht wisst Ihr es noch nicht, aber Erzmagier Savos Aven ist letzte Nacht ermordet worden! Und Ancano von Sundhold, ein Repräsentant des Aldmeri-Bundes, hat nun die Geschäfte der Akademie der Magier von Winterfeste übernommen!“

„WAS? ...Was ist passiert?“

Rikke sprang auf und schaute ungläubig auf Galmar Stein-Faust herab.


„Diese Reaktion habe ich fast erwartet...“

Während er das feststellte, stand auch er auf und sagte: „Ulfric und ich ahnten schon, dass das ohne Eure Kenntnis geschehen ist. Die Lage spitzt sich zu und immer mehr kommt in meinem König die Erkenntnis zum Vorschein, dass nicht mehr das Kaiserreich der eigentliche Feind ist. Dass in diesem Bürgerkrieg von Anfang an eine andere Macht die Fäden zog und das Kaiserreich dazu benutzte, seine Schmutzarbeit zu verrichten. …

Und nicht nur mit Eurer Armee und dem Einfluss am Hofe, sondern sie bedient sich auch anderer Mittel und Fraktionen hier aus Himmelsrand. Und diese Macht sind die Thalmor!“

Während er die Frau vor ihm genau musterte, merkte er, wie sie nickte und somit seinen Ausführungen leise zustimmte.

„Das war schon immer mein Verdacht, seit ich hier bin und der wurde mit dem Mord am Kaiser verdichtet. Der Sohn des Generals und ich waren ja damals dabei, als wir versuchten, diesem Attentat auf die Spur zu kommen. Und wir sind gegen eine Mauer aus Lügen, Intrigen und verdrehten Anschuldigungen gerannt, ohne dass wir handfeste Beweise hatten, um diese Mauer auch zu zersprengen. Ich weiß, dass die Thalmor allzu gut dazu fähig sind, so etwas zu unternehmen. Und nein, das mit der Akademie und der Ermordung des Erzmagiers ist mir neu und ich finde es absolut unsinnig, weil das Kaiserreich dadurch keinen Nutzen hat und die Magier uns stets neutral gegenüberstanden. Wir hatten bis jetzt immer ein friedliches Verhältnis mit der Magierschule, sandten sogar eigene Landsleute zur Ausbildung dahin und man nahm sie auf. Also welch einen Sinn sollte das ergeben? Von unserer Seite keinen, aber wenn die Thalmor dahinterstecken, ist das ein verdammt kluger Schachzug, sich hinter Euren König zu setzen und die weiteren Dinge abzuwarten. Ich hatte schon seit jeher immer ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich einen Thalmor sah. Dass wir von ihnen fast vernichtet wurden, ist Euch ja sicherlich bekannt. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Aldmeri-Bund seine Finger im Spiel hat. Nur wie soll ich General Tullius dazu bringen, die Kampfhandlungen einstellen zu lassen, ohne dass davon jemand Wind bekommt? Dazu brauche ich verdammt große Überzeugungskraft, die ich allein nicht aufbringen kann. Wir können nur hoffen, dass sein Sohn erhebliche Fortschritte in seinen Ermittlungen macht und diese so schnell wie möglich seinem Vater darlegt. Erst dann kann ich etwas unternehmen. Das sind wahrlich neue erschreckende Erkenntnisse, werter Galmar Stein-Faust, wobei ich Euch und Ulfric Sturmmantel zustimme. Und diese offenbaren mir den eigentlichen Sinn dieses Krieges, warum das Kaiserreich Himmelsrand erobern soll. Nicht für den Kaiser, für die Thalmor!“

„Mit dieser Ansicht steht Ihr nicht allein da, werte Legatin Rikke. Das wird ein verdammt schweres Unterfangen, da gebe ich Euch vollkommen recht. Aber es wird Zeit, dass wir diese Machenschaften, wenn es die Thalmor wirklich sein sollten, nicht mehr auf den Schultern der unschuldigen Bewohner von ganz Himmelsrand austragen, die schon genug leiden müssen. Ich bitte Euch, so darf es nicht weitergehen!“

Die Frau sah den Mann überrascht an. Die Bitte des hochrangigen Feindes kam mit voller Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Sie erkannte die Müdigkeit in seinen Augen, die nicht nur von dem harten Ritt herrührte. Ja, jedem Beteiligten des Bürgerkrieges war diese Müdigkeit anzusehen. Jedem schwand langsam die Kraft, auch ihr selbst.

„Ich werde versuchen, was ich da tun kann. Nur versprechen kann ich nichts. Dazu brauche ich die Hilfe von Cidius. Nur er kann seinen Vater dazu bewegen, Schritte gegen die Thalmor einzuleiten, vorausgesetzt, sie stecken dahinter. Wobei ich mir da eigentlich mittlerweile sehr sicher bin.“

„Diese Antwort reicht mir erst einmal, werte Legatin. Lasst uns wieder zum Feuer gehen und etwas essen und trinken, auch Eure Männer können sich daran laben!“

Er pfiff in die angebrochene Nacht und zwei Sturmmäntel kamen aus der Dunkelheit mit einer Kiste zum Lagerfeuer.

Es wurden angenehme zwei Stunden, wo Freund und Feind friedlich zusammensaßen und für kurze Zeit den Krieg und die letzten Ereignisse, die Himmelsrand an den Rand des Abgrunds zu bringen schienen, vergaßen. Danach verabschiedeten sich beide Offiziere respektvoll und ritten in unterschiedlichen Richtungen davon.


- XIX -


Alle Krieger hatten ihre vorbestimmten Positionen eingenommen, auch Faendal lag mit seinem Begleiter auf den Felsen und wartete auf das Signal, auf das Zeichen von Cidius zum Losschlagen. Seine Ziele waren gut sichtbar und der Bosmer ließ sie nicht aus den Augen. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob sein zugewiesener Partner ebenso seine Aufgabe erfüllen würde.

Der junge Mann ging vor und Engar versteckte sich unbemerkt hinter einem großen Felsen, unweit vor dem Eingang zur Kultstätte. Seine schwere Kriegsaxt lag ruhig in seiner rechten Hand, während er an dem Felsen vorbei spähte. Er sah, wie sich der „Lockvogel“ in Form von Cidius langsam und ruhig in Richtung des großen Eingangsbogens bewegte.


„Halt!“, rief die Wache von den höher gelegenen Felsen dem Ankömmling zu. Die Spitze seines Pfeiles war auf den jungen Mann gerichtet.

„Was wollt Ihr hier, Fremder?“

„Ich habe viel von dem Kult von Boethiah gehört und wollte wissen, wie man Euch beitreten kann!“

Die Stimme von Cidius war ruhig, in ihr lag keine Spur von Furcht. Auch schien es, dass er den auf ihn gerichteten Pfeil ignorierte, als ob das tödliche Geschoss gar nicht existent wäre. Er blickte zum Posten hoch und merkte, wie dieser plötzlich den Bogen samt Pfeil herunternahm und nach rechts schaute. Es war die Priesterin, die die Wache dazu bewegte, seine Waffe herunterzunehmen.


„Also Ihr wollt unserem Kult beitreten, habe ich das richtig verstanden?“

„Ich... ich... wollte erst einmal wissen, was für eine Gruppe ihr seid und was man dafür tun muss, um bei euch Mitglied zu werden!“ Seine Unsicherheit und Verlegenheit war hervorragend gespielt. Ab jetzt war jeder Muskel in seinem Körper gespannt, abwartend ob der passenden Gelegenheit, sich dieser Frau anzunehmen.

„Nun, junger Mann, wir sind nach Boethiahs Vorbild erschaffen. Mit unseren Zungen und Klingen prägen wir der Welt unseren Willen auf! Somit sind wir die Anhänger des mächtigen Boethiah, wollt Ihr Euer Können auf die Probe stellen?“

Herausfordernd schaute ihn die Priesterin an, sie musterte den Krieger von oben bis unten. Seine scheinbare Unentschlossenheit ließ die Frau verächtlich das Gesicht verziehen.

„Ihr? Ihr seid ein Nichts! Ein leiser Hauch, zerstreut von der leichtesten Brise!“, setzte sie noch abschätzig hinzu.

„Bevor ich mich... vielleicht dazu entschließe, möchte ich mehr über Boethiah wissen. Wer ist das?“

„Er ist der Fürst der Pläne, Täuscher der Nationen, Verschlinger von Trinimac, Die Königin der Schatten, Göttin der Zerstörung. Er der zerstört, sie die auslöscht! Unser Fürst hat viele erhabene Namen, aber sie werden nur uns Sterblichen gerecht. Sprecht ihre mächtigen Namen bis zum Ende der Zeit aus – und sie bedeuten nichts! Namen bedeuten unserem Fürsten nichts. Sie kümmert sich nur um jene, die sich um sich selbst kümmern, deren Herzen gefüllt sind mit Entschlossenheit, die ein Leben voller Taten führen. Wenn Ihr einen Blick auf unsere Dunkle Herrin werfen wollt, müsst Ihr Folgendes tun:...“

Dabei kam sie Cidius ziemlich nahe.

„Zuerst stellt unter Beweis, dass Eure Zunge für das Lügen geschaffen ist. Findet jemanden. Erlangt sein Vertrauen. Führt ihn hierher zum Schrein. Befehlt Eurem Sklaven dann, die Säule der Opferung zu berühren. Ihre Magie wird ihn umhüllen und wehrlos machen. Dann, gestärkt durch Gewissheit, stecht tief mit der zeremoniellen Klinge zu, damit das Wasser seines Herzens Euch reinigt. Ist Euer Wille stark genug, wird Boethiah in ihrem Dunklen Anwesen erweckt und wird vor uns erscheinen. Seid Ihr dazu fähig?“

Als sie das fragte, kam ihr Gesicht sehr nahe an jenes des Mannes heran.

„Und wie ich dazu fähig bin!...“, erwiderte Cidius gefährlich leise und packte zu. Der Stahlbolzen der gespannten kleinen Armbrust zielte auf ihre Halsschlagader. Seine rechte Hand packte dabei gleichzeitig hart ihre linke Schulter. Sie wurde herumgerissen und sein Arm umschlang ihren Hals, während die Armbrust weiterhin ihr Ziel behielt, nur diesmal von der anderen Seite. Die Priesterin war zu überrascht, als dass sie sich hätte wehren können. Auch die feste Umschlingung durch seinen Arm tat dabei ihr Übriges und nahm der Frau mehr und mehr den Atem. Cidius, die Priesterin als Schutzschild nutzend, ging langsam rückwärts Richtung Ausgang. Auch die Bogenschützen des Kultes wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten. Zu schnell und vollkommen überraschend war der Angriff auf die Priesterin geschehen.

Faendal und sein Partner verrichteten nun ihre todbringende Aufgabe. Nacheinander schlug jeder der Wachposten hart - in rasend schneller Folge von Pfeilen tödlich getroffen oder schwer verletzt durch den darauffolgenden Sturz - auf dem felsigen Untergrund auf. Ihre Schreie weckten die anderen Anhänger auf, die überrascht und ungläubig aus den Hütten kamen, um zu erkennen, was die Ursache dafür war. Dabei wurden sie leichte Beute der Angreifer. Doch nicht jeder Anhänger des Kultes wurde Opfer des plötzlichen Überfalls der Sturmmäntel. Als sie erkannten, dass ihre Priesterin in Gefahr war und man sie entführen wollte, griffen sie wutentbrannt ihrerseits zu den Waffen und stürmten auf Cidius zu, der sich langsam von der Stätte entfernte, wobei er immer noch die Priesterin als Schutz vor sich hielt.

Aber ihr Ansturm auf den Entführer war sinnlos, sie wurden alle Opfer der zielsicheren Bogenschützen auf den Felsen. Die, die flüchten wollten, liefen direkt in die todbringenden Arme der folgenden Sturmmäntel, nachdem man sich der anderen ahnungslosen Gegner entledigt hatte. Nur einer schaffte es, ziemlich nahe an Cidius heranzukommen. Doch da war noch Engar. Der Nord kam aus seinem Versteck hervor und schleuderte seine schwere Axt auf den einen Verblendeten. Der Schlag auf die Brust des Mannes war von unglaublicher Natur, er war so hart, das dieser sich dabei rücklings überschlug und bereits tot auf den Boden krachte. Damit war der Kampf schlagartig vorbei.

Engar blickte Cidius an, der immer noch dastand und ungläubig auf den Toten vor ihm und dann zu Engar schaute. Auch Faendal gesellte sich zu seinem Partner, er wollte seinem Freund die Gefangene abnehmen. Doch er hielt inne, als Cidius den Griff lockerte und die Priesterin zu Boden fiel. Erst jetzt erkannten sie, dass ein Pfeil in ihrer Brust steckte, knapp über dem Herzen. Anscheinend hatte wohl einer ihrer Anhänger statt dem Entführer sie getroffen.

Der Elf stellte mit einem Blick fest, dass sie kurz davorstand, das Zeitliche zu segnen. Cidius hatte also keine Wahl und Zeit, sich um ihre tödliche Verletzung zu kümmern, ihm blieb nur eine Möglichkeit. Sie musste sich hier und jetzt ihrer Sünden entledigen. Also kniete er nieder und hob vorsichtig ihren Kopf an.

„Ich weiß, dass Ihr schon viele verschiedene Leute hier gesehen und umgebracht habt. Ich will wissen, wer noch großes Interesse an Eurem Tun zeigte. Ich will Namen hören von Leuten, die einen Hang zu Boethiah und deren schwarzer Magie haben und Euch um Rat fragten. Eine Frage wurde schon beantwortet: Ihr seid die Giftmischerin dieses grünen Gebräus. Wem habt Ihr noch dieses Gift gegeben, außer Calixto Corrium?“

„Dunkle Bruderschaft... Cicero...“

Aus ihrem Mund schoss Blut hervor, ein Zeichen, das es mit ihr bald zu Ende ging.

„Wer noch?...“, schrie Cidius die Frau an, er ahnte, das war noch nicht alles.

„... … … Thalmor...“

Mit diesem letzten Wort verdrehten sich ihre Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war und schied aus dieser Welt. Cidius stand auf, in seinem Gesicht widerspiegelten sich abwechselnd Abscheu, Genugtuung und die Gewissheit, dass er größtenteils mit seinen Überlegungen und Vorahnungen richtig lag.


Er ging etwas von der toten Priesterin weg, drehte sich langsam um und blickte in die Runde der Männer, die ihn gespannt anschauten.

„Haben wir Verluste zu verzeichnen?“, fragte der junge Mann.

Engar kam zu ihm, ebenso Faendal, dann antwortete der Nord: „Nein. Gut, Verletzungen gibt es immer in einem Kampf wie diesem hier, aber alle sind noch am Leben und nicht schwer verletzt. Das war sehr gute Arbeit und dein Plan hat perfekt funktioniert, Cidius!“

Dabei drehte er sich anerkennend zu der Einheit um.

„Faendal! Das ist wohl kein Gerücht, die Dunkle Bruderschaft scheint wirklich zu existieren und dieser Cicero scheint ein Mitglied davon zu sein. Der könnte unser mysteriöser und ominöser Killer sein!“

Cidius wechselte einen vielsagenden Blick mit seinem langjährigen Freund.

„Und deine Vermutung in Bezug auf die Thalmor scheint nun konkrete Formen anzunehmen. Sie sind darin involviert, das hat sie bestätigt!“

„Dann zurück nach Windhelm. Wir sollten darüber mit Ulfric sprechen!“, schlug Engar vor. Dabei zeigte er den Dolch, den er der toten Frau abgenommen hatte. Das musste wohl die zeremonielle Klinge sein, die die Priesterin vor dem Angriff erwähnt hatte. Er sah genauso aus, wie die Waffe, die auch der Mörder verwendet hatte.

„Wenn man hinter die Dinge einer Sache blickt, werden diese nachvollziehbar und berechenbar,“ erwiderte Faendal darauf und Cidius nickte zustimmend.


- XX -


„Ihr verdammten Mistkerle! Lasst Corpulus in Ruhe! Wie oft soll er noch sagen, das er von nichts weiß!“, schrie Lisette die beiden Agenten an, die immer und immer wieder auf den Wirt einschlugen. Man hatte sie an den Händen gefesselt und sie daran aufgehängt. Ohne Chance sich von den Fesseln zu befreien, musste sie von oben mitansehen, wie man den Besitzer des „Zwinkernden Skeever“, den man an einen Holzpfahl gekettet hatte, mittlerweile schon seit Stunden ohne erkennbaren Erfolg folterte.

Einer der Thalmor ließ von dem Wirt ab, drehte sich um und ging zu der Gefangenen.

„Wenn du nicht bald dein Maul hältst, schlitze ich dich von oben nach unten auf und lasse dich ausbluten wie ein abgestochenes Schwein!“

Doch der Mut der Bardin war bemerkenswert. Trotz ihrer misslichen Lage holte sie aus und der Tritt traf den Kopf des Agenten. Er ging dabei in die Knie, kam aber kurz danach kopfschüttelnd wieder hoch und rieb sich die Stelle, wo die Stiefelspitze der Frau ihn getroffen hatte.

„Ich mag Frauen mit Mumm und Gegenwehr! Das bringt mich richtig in Stimmung! Eigentlich solltest du schon längst tot sein, so will es mein Auftraggeber. Aber ich bin froh, dass wir es noch nicht getan haben. Wenn wir mit dem Wirt fertig sind, wird es mir eine wahre Freude sein, mich deiner anzunehmen. Dabei wirst du dir wünschen, das man dich doch besser vorher getötet hätte, als das mitzuerleben. Glaube mir!“

Er spuckte etwas blutigen Speichel auf die strohbedeckte Tenne eines leeren Lagerraumes tief unten im Keller der Taverne.

„Du sadistisches Schwein! Fass mich einmal an und ich entledige dich deiner Männlichkeit!“

„Nimm den Mund nicht zu voll, Schlampe!“

„Lass sie! Oder stopfe ihr noch besser das Maul, denn sie schreit noch alle Schläfer zusammen“, sagte sein Partner.

„So ein Mist, der Mann hier ist schon wieder ohnmächtig. Und immer noch kein Wort darüber, was er nun mit dem Argonier zu besprechen hatte. Habe langsam kein Lust mehr! Der Morgen ist nahe und immer noch keine Ergebnisse. Wir können nicht lange hierbleiben, sonst sind wir geliefert!“

„Na gut! Dann lass uns das beenden und beide dahin schicken, wo niemand ihr Geschrei und Wissen hören kann. Ist zwar schade, weil ich mich gern mit dieser Bardin amüsieren würde, aber man kann nicht alles haben! Dann eben schnell und endgültig!“

Dabei zog er seinen langen Elfendolch aus der Stiefelscheide und ging langsam auf Lisette zu. Die Frau sah bereits ihr Ende kommen, doch plötzlich blieb der Thalmor-Agent abrupt stehen. Die Bardin blickte in seine Augen, die sich eigenartig verdrehten und war urplötzlich erleichtert, als der Mann zusammenbrach. Lisette konnte erkennen, dass ein Dolch im Rücken des Agenten steckte. Auch der andere Folterknecht erlitt dasselbe Schicksal und war schon tot, bevor sein Partner auf dem Boden aufschlug. Vier vermummte Gestalten kamen in den Lagerraum und befreiten die Gefangenen von ihren Fesseln.

Eine weibliche Stimme sagte: „Bringt beide in Sicherheit und kümmert euch um die Verletzungen des Wirtes! Schnell, beeilt Euch! Aber diese Agenten lasst liegen, das sollen ruhig alle sehen!“

„Und Ihr?“ fragte eine andere vermummte Frau.

„Ich gehe sofort zu General Tullius.“

„Seid aber vorsichtig, Vittoria!“

...

Der Tod versucht nicht, denn seine Opfer sind vorbestimmt, sind gezeichnet. Eine Tatsache von Ursache und Wirkung, die naturgemäß nie eine Versuchung seinerseits ist, sondern mehr eine Versuchung der Lebenden, die vom Tod gezeichneten Mitmenschen davon zu befreien, davor zu schützen. Es ist jedoch nur ein mögliches Hinauszögern, denn wenn die Zeit gekommen ist, dann schreitet der Tod durch die jeweilige Tür.

Das ist der Lauf der Natur, das ist sein Gesetz.