In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 6 - Eins und Eins macht Vier -


 

Die Architektur des Innenraumes der Feste war überwältigend. Samara blieb einfach nur noch staunend umschauend stehen und vergaß für einen Moment, warum sie eigentlich hier war. Kematu brachte es mit einem „Holla, die Waldfee!“ auf den Punkt und die Kriegerin wieder in die Realität zurück.

Die Größe und Höhe der Eingangshalle, die verbunden mit einer Treppe zum offenen, höher gelegenen Thronsaal war, schien noch gewaltiger zu sein, als die Feste von Außen her den Anschein machte. Dieser riesige Raum, flankiert von zwei Emporen, verschmolz mit dem großen Saal zu Füßen des Thrones zu einer imposanten Einheit. Schon dieser Eindruck allein war atemberaubend. Mit Ehrfurcht stiegen beide Freunde langsam die Stufen zum Thronsaal hinauf.

 

Als man in die Nähe der Tafel kam, näherte sich den Beiden eine Dunmer mit gezogener Waffe.

„Stehen bleiben! Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier! Der Jarl erwartet keine Besucher. Ich hoffe nur, Ihr habt einen wirklich wichtigen Grund, hier zu erscheinen!“

Verdutzt schauten sie die Kriegerin an.

„Langsam bitte, Eins nach dem Anderen! Wir sind hier um den Jarl wichtige Information in Bezug Helgen zu übermitteln und um dringend benötigte Hilfe für Flusswald zu erbitten!“

„Jetzt wundert mich nichts mehr, warum Euch die Wachen reingelassen haben. Der Jarl erwartet Euch bereits. Und übrigens ich bin Irileth, Huscal und persönliche Leibwache von Balgruuf, dem Jarl von Weißlauf!“

Mit diesen Worten steckte sie ihr Schwert wieder zurück und entfernte sich zurück zum Thron.

„Der Jarl erwartet mich?“ Samara schaute Kematu an. Auch er hatte einen überraschenden Gesichtsausdruck. „Verstehst Du nun, was ich Dir gestern Abend versucht habe zu erklären? Woher weiß er so schnell, das Jemand zu ihm kommt. Es ist nicht mal ein Tag vergangen zwischen Flusswald und das Hier und Jetzt!“

„Naja vielleicht wurde ein Bote aus dem Dorf geschickt, der die Nachricht überbrachte, das jemand nach Weißlauf kommt würde, um mit dem Jarl zu sprechen!“ meinte ihr Freund.

„Dann hätten die Wachen davon gewusst und uns ohne große Diskussion reingelassen!“ Kematu stimmte mir zu. „Damit hast Du vollkommen recht, ich verstehe langsam Deine Vorahnungen, das ist nicht normal! Jetzt bin ich aber auch gespannt, was er Dir dazu zu sagen hat!“

 

Samara ging nun auf den Thron zu, wo Balgruuf sich mit einem gut gekleideten älteren Mann, mit etwas schon gelichtetem Hauptes, unterhielt. Da sie nicht gerade leise sprachen, bekam die Kriegerin alles von der Unterhaltung mit. Das es dabei um Ulfric, den Sturmmänteln und den Bürgerkrieg ging. Ihr Erscheinen unterbrach sofort deren Streitgespräch und der Jarl wandte sich sofort ihr zu.

„Ah! Ihr seit gekommen. Sehr schön, ich habe Euch schon erwartet! Nun erzählt genau, was ihr in Helgen gesehen und erlebt habt. Ist es wahr? Ihr habt den Drachen mit eigenen Augen gesehen?

„Moment! Kennen wir uns? Woher wisst ihr von meinem Kommen?“ Ihre Stirn verzog sich in mehreren Falten. Balgruuf ging gar nicht erst auf ihre Frage ein.

„Ihr wart also in Helgen und habt den Drachen mit eigenen Augen gesehen?“

„So ist es, werter Herr! Die Kaiserlichen wollten gerade Ulfric Sturmmantel und noch ein paar andere Menschen, darunter auch meine Wenigkeit hinrichten. Da griff urplötzlich ein Drache die Festung an. Die Bestie hat Helgen den Erdboden gleichgemacht. Es war Glück, heil daraus zu fliehen! Das Letzte, was mein „Befreier“ und ich sahen war, wie der Drache in das Land hineinflog!"

„Also stimmt es doch! Irelith hatte Recht. Es ist also wahr! Ein Drache hat die Festung angegriffen und zerstört. Bei Izmir! Was denkt ihr nun, Proventus Avenicci? Glaubt ihr ernsthaft, das ein Drache sich von der Stärke unserer Mauern beeindrucken lässt, wenn er uns angreift?“

„Aber mein Herr!...“ Irelith würgte den Kommentar des Vogtes mit einem Vorschlag einfach ab.

„Mein Herr, wir sollten sofort Truppen nach Flusswald schicken. Das Dorf befindet sich in allerhöchster Gefahr!“ Balgruuf stimmte ihr bedenkenlos zu. „Schicke sofort eine Einheit nach Flusswald, Irelith!“

Jawohl, mein Herr!“ Mit schnellen Schritten verließ Irelith den Thronsaal.

„Aber mein Herr! Der Jarl von Falkenring, der werte Herr Siddgeir, könnte dies als Provokation auffassen und glauben, wir würden uns auf die Seite Ulfrics schlagen und ihn angreifen wollen.“

„Genug!“ Mit einem verärgerten Gesichtsausdruck wollte er nichts mehr von seinen Vogt hören. „Ich werde nicht untätig zusehen, wie ein Drache meine Stadt niederbrennt und das Volk abschlachtet.“ Damit war für den Jarl die Diskussion endgültig beendet.

„Mein Herr! ich werde mich wieder meinen Aufgaben widmen!“ Proventus Avenicci verkneifte sich eines weiteren Kommentars, verbeugt sich vor dem Jarl und verlässt ebenfalls den Thronsaal. "Ist auch besser so!" erwiderte der Jarl ihm lautstark nach.

 

Nachdem Ruhe eingekehrt war und der Jarl in der Zeit mich genau betrachtet hatte, sagte er:

„Ihr seid auf eigene Gefahr zu mir gekommen. Mein Volk und ich schulden Euch Dank und Ehrerbietung!“

„Normalerweise war es der Schmied Alvor und Hadvar, ein kaiserlicher Offizier, die mich baten, zu Euch zu gehen. Um von den Ereignissen zu berichten und um Hilfe für Flusswald zu erbitten. Aber...“

Samara kam nicht dazu, einer ihrer vielen Frage auszusprechen. Es gelang dem Jarl ihrer Frage geschickt auszuweichen. Als ob er wüsste, was sie fragen wollte und stattdessen bot er der Frau einen Auftrag an.

„Ich habe etwas für Euch! Eine Aufgabe, die geeignet für Euch und Euren Fähigkeiten zu sein scheint. Mein Hofmagier Farengar beschäftigt sich mit einer Frage, die mit Euch und den Drachen zu tun hat. Und...mit Drachengerüchten. Kommt lasst uns zu Ihm gehen!“

Geeignet für sie und ihre Fähigkeiten? Wovon zum Teufel sprach der Jarl. Er redete so, als ob er sie kennen würde. Fast genauso wie die Bewohner von Weißlauf, nur genauer. Samara blickte zu Kematu hin, hilfesuchend wortlos nach einem Rat fragend. Kematu schüttelte nur den Kopf, als ob er ihr sagen wollte: „Ich weiß es auch nicht!“

„Dir bleibt wohl nichts weiter übrig, als dieses Spiel mitzuspielen. Bis Du vielleicht die Antworten gefunden hast.“ sagte er nur.

Ein Spiel! Kematu ließ wieder seinen eigenartigen Humor sprechen. Für die Frau war es absolut kein Spiel mehr. Es war mittlerweile Alles so verwirrend, als ob sie in einem riesigen Spinnennetz gefangen war und verzweifelt versuchte, sich daraus zu befreien. Nur lauerte da nicht eine riesige Spinne, sondern ein Drache. Diese Feststellung war weit aus bedrückender, weil Samara noch nicht die ganzen Zusammenhänge begriff. Andererseits wollte sie die Zusammenhänge auch wirklich begreifen? War sie überhaupt sicher, das sie selbst der Schlüssel zu allen Antworten sein sollte. Oder ging es hier um was ganz Anderes.

Kematu hatte Recht! Sie machte in diesen Moment eben eine gute Miene zum bösen Spiel.

 

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen näherte sich Samara diesen offenen Bereich, in dem der Jarl verschwunden war. Mit einem Magier zu sprechen, mochte sie überhaupt nicht. Ihr waren Menschen mit magischen Fähigkeiten mehr als nur suspekt. Die Frau wusste nicht warum, aber sie hatte innerlichen Furcht vor diese Menschen mit ihren besonderen Fähigkeiten. Obwohl man ihr in diesem Bezug nie etwas getan hatte. Aber die Neugier war stärker als die Furcht. Entschlossen betrat sie mit Kematu den Raum des Verzauberers.

Der Jarl stellte ihr Farengar vor. „Hier ist Samara und ihr Begleiter! Sie könnte Euch bei Eurem Problem sicherlich behilflich sein.“

Sie schaute den Jarl ungläubig an. Auch Kematu erging es nicht Anders. Woher, bei den Neun Göttern, kannte er ihren Namen. sie hatte ihn nicht einmal seit Betreten der Feste erwähnt, beziehungsweise gab man ihr noch keine Möglichkeit, sich vorzustellen. Hier ging nichts mehr mit normalen Menschenverstand zu. Aber bevor sie den Jarl überhaupt fragen konnte, verließ er sie wieder, ohne jemals eine Frage beantwortet zu haben.

 

„Der Jarl meint also, Ihr könnt mir bei meinen Forschungen eine Hilfe sein. In der Tat bin ich nach etwas auf der Suche. Es handelt sich um eine Steintafel, die sich an einem gefährlichen Ort befinden soll. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob sie überhaupt existiert oder da zu finden ist. Würdet Ihr also nach dieser Tafel Ausschau halten? Sie für mich finden und hierher bringen? Vorausgesetzt sie existiert wirklich!“

Farengar, der Hofmagier, war ein einer dunklen Kutte gehüllt und sein Gesicht wurde durch eine Kapuze größtenteils verdeckt.

„Wo soll ich hin und was soll ich holen!“

„Ihr kommt gleich zur Sache was? Ohne zu Fragen, Weshalb und Warum. Sollen sich die Auftraggeber um die Einzelheiten kümmern. Das gefällt mir. Also! Ihr sollt ins Ödsturzhügelgrab gehen, die Hauptkammer finden und den Drachenstein, so wird diese Steintafel genannt, holen und zu mir bringen!“

„Das Ödsturzhügelgrab! Nun wundert mich gar nichts mehr.“ Stellte Samara ganz ruhig fest, obwohl es in ihr brodelte.

„Ganz genau, kennt Ihr es etwa?“ Fragte sie der Magier. „Nur vom Sehen her. Aber schon einmal in einem anderen Zusammenhang gehört. Aber lassen wir das!“ Kematu sah seine Freundin verdutzt an.

„Habe ich irgendetwas verpasst?“

„Nicht jetzt Kematu, ich erkläre es Dir später!“

Jetzt konnte Samara eins und eins zusammenzählen. Erst der Drache. Dann, das eine goldene Drachenklaue gestohlen wurde und ebenfalls im Ödsturzhügelgrab sein soll. Zu aller Letzt sollte sie eine Steintafel, genannt Drachenstein finden und zurückholen. Und das Schärfste war, Der Jarl kannte ihren Namen. Also, wenn das nicht ein paar Zufälle zu viel sein sollten, dann war sie wohl vollkommen paranoid und reimte sich Irgendetwas zusammen. Aber sie war bei klarem Verstand, denn das hier Erlebte war die Realität. Und an Zufälle glaubte Samara schon lange nicht mehr. Eins uns Eins ergab nicht Zwei. Sondern in diesem Fall Vier.

„Also gut!“ Damit beendete die Frau laut ihren Gedankengang.

„Wir werden uns auf die Suche nach dieser Steintafel machen und sie herbringen. Und dann, wenn ich wiederkomme!...Falls, ich wiederkomme!...Dann verdammt nochmal,...möchte ich ein paar klare Antworten hören, was hier eigentlich los ist!...Oder man lernt mich hier kennen!“

 

Samara drehte sich wutentbrannt um und verließ eiligst die Feste. Kematu hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Draußen vor der Feste holte er seine Freundin ein und riss sie mit einem festen Griff an der Schulter herum. Die Frau schnaubte ihn an, wie ein Stier, der ein rotes Tuch gesehen hatte. Er fragte sie ganz ruhig „Jetzt mal Klartext! Was ist hier und vor allem mit Dir los?“

Hin und her stampfend, erläuterte sie nun in die ganzen Details. Seit sie den Drachen gesehen hatte, höre sie dauern irgendwelche Stimmen, in einer in ihr vollkommen fremden Sprache. Das Erste was man ihr in Freiheit zeigte, war die ach so erstaunliche Ruine, genannt Ödsturzhügelgrab. Dann die Geschichte mit dem Händler aus Flusswald, den man eine goldene Drachenklaue vor langer Zeit gestohlen hatte. Zum ersten Mal betrat sie den Laden und man unterbreitet ihr einen Auftrag, das sie bitte helfen sollte, die Klaue wieder zurück zuholen. Die rein zufällig im Ödsturzhügelgrab sein soll. Dann das eigenartige Verhalten der Bewohner dieses Dorfes, die ihr sogar Geschenke machten, in Form von Waffen und einer Rüstung, die ihr wie angegossen passte. Dann wie Kematu selbst die Ereignisse in der Festung mitbekommen hatte. Das man ihren Namen kannte, ohne ihn je da drin ausgesprochen zu haben. Das sie außergewöhnliche Fähigkeiten haben soll. Man ihren Fragen dauernd geschickt auswich. Das ich hergekommen war, um Antworten zu finden. Aber stattdessen soll sie nach einem Drachenstein suchen, welcher sich, wie der Zufall es wieder wollte, auch im Ödsturzhügelgrab sein soll.

„Verstehst Du jetzt, warum ich so verwirrt bin?

Zum Henker! Ich brauche jetzt etwas zu trinken und zwar was wirklich Starkes!“

 

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