In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 7 - Die zwei Natürlichkeiten -



Auf den Weg zur Taverne unterhielten sich Samara und Kematu immer noch sehr erregt, über die Ereignisse beim Jarl. Sie merkten nicht einmal, das sie einen langen Besuch bei Balgruuf hatten.

Der Tag neigte sich mehr und mehr dem Abend zu. Aber noch schien die Sonne, auch wenn sie sich anschickte, im Westen schlafen zu gehen. Dumpfes Grollen war in der Ferne leise zu hören. Ein Gewitter kündigte sich an. Auch der Wind schien sich darauf einzustellen und fing an, leicht stärker werdende Böen tanzen zu lassen. Eine auffrischende Brise zog über Weißlauf hinweg.

Beide merkten nicht einmal, wie ein kleines Mädchen um das sich immer noch im Gespräch befindliche Paar herum hüpfte. Noch vergebens versuchte es, die Aufmerksamkeit der Zwei auf sich zu lenken. Plötzlich, wehte eine Böe ihr Kleid hoch und es der Saum ihres Kleides verfing sich an der Schwertscheide der Frau. Das Kind stürzte fast hin, wurde aber von Samara reflexartig aufgefangen. Mit einem Schlag war das Gespräch zwischen Kematu und ihr beendet.

 

„Dummerchen, was machst Du für Sachen?“ Mit diesem Satz hob Samara das Mädchen hoch.

„Ich finde Dich hübsch! Wollte wissen, wer Du bist! Ist das Dein Mann?“ fragt die Kleine, währenddessen ihr langes schwarzes Haar anfängt im Wind aufzugehen und ihr hübsches Gesicht mit ihren hellblauen Augen freigab.

„Mein Mann? Nein! Er ist ein sehr, sehr guter Freund aus meiner Heimat.“ schmunzelte Samara und schaut dabei blinzelnd Kematu an, der sich wortlos anschickte, sich zu entfernen. Er ging nur ein paar Schritte in Richtung einer kleinen Mauer und lehnte sich dann an ihr. Er beobachtete die Frau und das kleine fremde Kind.

„Wo sind Deine Eltern? was machst Du hier so allein? Wie heißt Du denn?“ Wendete sich Samara wieder dem kleinen Mädchen zu. „Ich bin Lucia und sicherlich nicht allein! Alle Menschen in Weißlauf sind meine Familie. Ich spiele immer hier. Vor allem unterhalte ich mich immer diesem Baum.“

„Du redest mit einem Baum?“ Die Kleine streckte ihren Arm aus und zeigte auf den baum hinter der Frau. Samara verfolgte den Arm und sah dann den Baum, den das Mädchen meinte.

Der Baum machte einen sehr merkwürdigen Eindruck. Die Rinde ist fast verschwunden. Blankes, von Wind und Wetter verfärbtes Holz war überwiegend zu sehen. Die knorrigen Äste knarrten bei jedem Windstoß und es hörte sich an, als ob der Baum Schmerzen hätte. Kein Blatt war zu sehen, obwohl überall die gesamte Flora meist im prächtigen Grün und anderen Farben gedeihte. Samara fühlte das Leiden. …Der Baum war am Absterben!

„Erzähl mir, Lucia, worüber ihr Euch beide unterhaltet!“ Sie setzten sich auf eine der Holzbänke, die rund um den Baum aufgestellt waren.

 

Währenddessen schaute Kematu den Beiden zu. Er hatte es geschafft, keinen blöden Spruch abzulassen. Das kann jetzt dauern, dachte er sich.

Der Assassine ertappte sich dabei, das je länger er Sie betrachtete, er wieder neidisch auf Yasudo wurde, auch wenn er schon lange tot war. Welch ein Glück sein Freund hatte, das sich diese Frau in ihn verliebt hatte. Und dann, es ist mittlerweile zehn Jahre her, sie geheiratet hatte.

„Oh Mann, Yasudo!“ schrie er leise, kaum hörbar, vor sich hin. Tiefe, innige Trauer, ob seines Todes, stieg in ihm auf. „Ich verspreche Dir! Ich werde auf Deine Frau aufpassen! Ihr wird nichts geschehen! Das schwöre ich Dir!“ während dieses Selbstgesprächs blieb sein Blick fest auf Samara haften.

Sie ist eine wunderschöne Frau. Das weißblonde Haar, welches früher mit der Farbe der Sonne mithalten konnte. Die grünen stechenden Augen, die Smaragden ebenbürtig wären. Ihr wohlgeformter Körper, alles an ihr ist da, wo es auch hingehört. Vor paar Stunden, als ich sie bei den Stallungen in den Armen nahm, spürte er den harten, straffen, kräfigen aber trotzdem weichen Körper.

Ihr Handeln war stets recht schaffend. Sie konnte hart und unerbittlich zu ihren den Auszubildenden sein. Er ahnte, das sie Angst vor dem Töten hatte, aber es tun würde, wenn ein tödlicher Kampf bevorstand. Vor allem wenn irgendjemand ihre Familie bedrohen würde und dies nur der allerletzte Ausweg wäre.

Oh ja, sie konnte kämpfen! Er hatte noch nie eine andere Frau gesehen, die so gut mit Waffen umgehen konnte. Selbst ihr Vater, der sie ausbildete, war mit der Zeit nicht mehr ebenbürtig. Auch er selbst war, wenn sie sich aus Spaß duellierten, stets unterlegen. Sie war eine sehr gute Ausbilderin. Kematu hatte verdammt viel von ihr gelernt.

Sie nutzte nicht nur ihre weibliche Kraft, sondern ihre Stärke ist ihre Schnelligkeit und sie erkannte schnell die Schwächen des Gegners, die sie dann geschickt gegen ihn verwendete.

Ihre andere Natur, die mehr überwog als eine Kriegerin, ist ihre Herzlichkeit den Menschen gegenüber. Vor allem lagen Kinder ihr sehr am Herzen. Sie war eine reine Frohnatur. Samara war in ihren Kreisen geschätzt und wurde geliebt. Aber sie konnte auch laut und ungehalten werden, wenn man nicht das tat, was sie zu lehren versuchte. Wenn sie versuchte, vor allem bei der Ausbildung, den Schülern die Lehren des Kampfes zu vermitteln.

Er erinnerte sich auch daran, wie er sie und ihrem Mann, kurz nach der Geburt des ersten Kindes besuchte. Noch nie hatte der Krieger wahre Liebe einer Mutter so zu ihrem Kind gesehen und gespürt, wie sie es tat. Er fühlte dabei sofort, sie könnte dabei zerbrechen, wenn sie ihre Familie verlieren würde. Das dies dann Geschehen sollte, ahnte keine Menschenseele.

 

Beim Angriff der Orks, wurde sie zum ersten Mal mit den Tod konfrontiert, war sie gezwungen, um ihr Leben zu kämpfen. War sie gezwungen...zu töten! Und das war vor ...zwei Jahren!

Aber er hatte sich wohl darin geirrt, das sie nicht daran zerbrochen zu sein schien. Kematu verstand nicht, wie sie damit fertig wurde, wie es danach in ihr aussah. Der Mann hatte selber Probleme damit, mit den Tod von Yasudo zurecht zukommen. Auch er vermisste ihn sehr, so wie sie. Nur Samara vermisste mehr ihre zwei Kinder. Verdammt noch einmal! Welche Bestien können so etwas einem Vater, einer Mutter, einem Freund antun.

Aber war er nicht auch so eine Bestie? Assassinen waren ausgebildete Killer. Ihr Geschäft war der Tod. Wie viele Leben hatte er in den letzten Jahren im Namen der Ehre, des Rechts, des Gesetzes und der Gerechtigkeit ausgelöscht. Waren diese Menschen nicht auch Väter, Mütter sogar Freunde? Angewidert von sich selbst, versuchte er diese Gedanken aus seinen Kopf zu verbannen. Aber es gelang ihn nicht.

Als Kematu Samara gestern wieder sah, war es anscheint mehr als nur ein Segen oder ein Wink des Schicksals, das er sich entschloss bei Ihr zubleiben. Als ob er damit sein altes Leben als Assassine, als Killer hinter sich lassen wollte.

Ihm war bewusst, das er Ihr nie das Wasser reichen könnte. Dieser Gedanke ließ ihn in die Vergangenheit reisen. Vier Jahrzehnte blickte Kematu zurück.

...

Ich war kein geborener Rothwardone. Wer meine wahren Eltern waren, wo ich geboren wurde, wo meine wahre Heimat sei, ich wusste es nicht. Ich wuchs in einem Nomadenstamm nahe der Alik´r Wüste auf, wovon sehr viele in oder um der riesigen Wüste existierten. Man gab mir den Namen Kematu, welcher der "Gefundene" bedeuten soll. Alle fünf Jahre kamen die ganzen Stämme zusammen und veranstalten eine Art von Zeremonie. Wo Jünglinge ausgesucht wurden, die zu Assassinen ausgebildet werden sollten.

Meine damalige Familie, vor allem mein Vater war selbst ein Mitglied der Assassinen. Was ich an ihnen schätzte, war ihr unerschütterlicher Sinn für Wahrheit. Sie erzählten mir schon sehr früh, das sie nicht meine wahren Eltern seien, das ich ein Findelkind war.

Hassim, so hieß mein Vater, erzählte mir, das er mich damals bei einem Einsatz in Himmelsrand fand. Ich lag auf einen Altar vor einer riesigen Statue und muss wohl so laut gebrüllt haben, das Wölfe auf mich aufmerksam wurden. Es war reiner Zufall, das Hassims Trupp da vorbei kam, mich retteten und mitnahmen. Das Wenige was man bei mir fand, war vor allem eine Halskette in der Form eines Vogels. Hassim und Iberia zogen mich auf, als wäre ich ihr eigener Sohn, obwohl sie noch weitere sechs Kinder hatten.

Aber ich fühlte mich wirklich nicht heimisch. Ich wusste innerlich, das sie mich auch liebten, aber auch die Innerliche Distanz, die nicht zu erkennbare Angst vor mir. Ich hörte stets von meinen Eltern, das ich was Besonderes wäre, ein Geschenk der Neun Götter. Aber sie konnten nie die Besonderheit bestimmen, erklären oder deuten.

Auch Yasudo lebte in meinem Dorf. Unsere Freundschaft entstand ganz spontan. Ich hatte nie mit anderen Kindern gespielt, auch nicht mit meinen Brüdern und Schwestern der Familie. Ich scheute die Anwesenheit der Gleichaltrigen, auch wenn sie es wirklich gut meinten und meine Freundschaft suchten. Ich wollte immer allein sein. Keiner verstand es, aber man ließ mich stets in Ruhe. Nie gab es Streit oder eine Prügelei, was bei Kindern eigentlich normal war, wenn Spielerei ausarteten.

Eines Tages rastete unser Stamm in einer Oase. Ich entfernte mich und suchte eine abgelegene Stelle im hohen Gras. Ganz zufällig betrachtete ich meine Halskette. Sie ist das Einzige, was aus meiner wirklichen Heimat stammte. Ich schwor dabei, das ich eines Tages nach Himmelsrand gehen werde und das Geheimnis meiner Herkunft lüften würde. Ich behütete sie stets vor fremden Augen. Nur Hassim wusste davon. Und er nahm dieses Geheimnis, ohne die Bedeutung zu wissen, selbst mit in den Tod.

Ich schaute also meinen Talisman an, diesmal genauer. Die Art des Vogels kam mir bekannt vor. Manche Männer meines Dorfes hatten die abgerichteten Adler auf ihren Armen. Der Vogel sah fast genauso aus. Ein besonderes Merkmal waren die schwarzen Augen, in dem sich das Sonnenlicht brach. Die andere Besonderheit war, das der Vogel innen hohl zu sein schien. Oben am Kopf war ein kleines sichtbares Loch zu sehen. Ich drehte die Kette um 180 Grad und sah am Ring, auf den der Vogel zu sitzen schien, ebenfalls ein Loch. Unbewusst führte ich das obere Loch an meinen Mund und versuchte hinein zu blasen. Zuerst passierte nichts. Also versuchte ich es nochmal. Ich spitzte meinen Mund zusammen und blies noch einmal hinein. Diesmal hörte ich, wie ein leiser Pfiff aus dem unterem Loch entwich. Ich sah, wie sich die Farbe der Augen veränderte und in ein helles Blau überging.

Ich staunte nicht schlecht, als ich plötzlich zusammen zuckte. Ich sah einen Schatten an mir heran fliegen und sich zwischen meine Beine setzte. Ich sah einen Vogel vor mir sitzen, der mich mit schiefen Kopf und großen Augen betrachtete. Sein Schnabel war offen und ich konnte seine Zunge vibrieren sehen. Ich schaute zuerst die Kette dann den Vogel an. Die anfänglich erschreckende Überraschung wich langsam aus meinem Körper. Ich schaute mir ihn sehr genau an.

Er sah aus wie ein Adler, war aber viel kleiner, als seine Artgenossen. Erst später sollte ich es erfahren. Er sah aus wie ein Wanderfalke, war aber kein normaler Vogel seiner Art.

Während ich ihn musterte, pickte er auf einmal mit seinem Schnabel auf meinem Wasserschlauch herum, welcher ich noch vor einiger Zeit gefüllt hatte. „Hast Du Durst mein Kleiner!“ fragte ich ihm und als ob er mich gehört hätte, breitete er seine Flügel aus. Ich goss etwas Wasser auf meine Hand und führte sie an seinem Schnabel. Er pickte genüsslich in meine Hand, ohne mir dabei weh zu tun und trank. Meine andere Hand kam dem Vogel näher und berührte ihn.

Wie vom Blitz getroffen, wurde mir schwarz vor den Augen. Ich wollte schreien, aber es kam kein Laut aus meinem Mund. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber es gelang mir zunächst nicht. Ich bekam Angst vor der plötzlich entstandenen Dunkelheit. Ich versuchte mit meinen Händen die Augen freizumachen. Als ob irgend Etwas diese verdeckten. Aber dieses Nichtsehen wehrte nur kurz, langsam öffneten sich meine Augen. Aber was ich und wie ich was sah, ließ mich fast verrückt werden!...ICH SAH MICH!...Sofort machte ich meine Augen wieder zu.

...

Kematu wurde abrupt aus seinen Erinnerungen gerissen. Samara stand mit verschränkten Armen vor ihm.

„Hey! Schläfst Du?" Bei dieser Frage schaute sie ihn verwundert an.

„ Nein Nein, oh Mann! Muss ja blöd ausgesehen haben oder?“

„Nö! Aber ich habe noch Keinen gesehen, der im Stehen schläft und nicht umfällt. Und dabei auch noch so gut aussieht!“ verlegen schaute sich Kematu um. Es schien wohl, das es Keinem, außer ihr, aufgefallen war.

„Was ist nun? ich denke, Du kennst Dich hier aus! Ich will was trinken!“ Langsam war die Wachsamkeit des Kriegers zurückgekehrt. Kematu zeigte ihr die Richtung und ging los. Sie folgte ihm mit lautem Kichern.

Er schaute nach oben. "Hättest mich ruhig warnen können, mein kleiner Freund, das war nicht nett !" Samara konnte diese Worte nicht hören.

 

Weiter zum Kapitel 8