DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 4 - Der Tod spielt nicht -


- XVII -

 

Esbern sah Vittoria vorwurfsvoll an. Er war nicht erfreut darüber zu hören, was sie vorhatte.

„Du willst wirklich allein nach Rifton reisen? Das kann ich nicht gutheißen, mein Kind! Was erhoffst du dir von diesem Brief? Da kann auch rein gar nichts drin stehen. Willst du dich so in Gefahr bringen? Gut, Rifton ist am Rand der Welt, aber trotzdem könnten auch da Agenten der Thalmor ihr Unwesen treiben. Überlege es dir bitte noch einmal! Du bist viel zu wichtig für unsere Aufgabe hier!“

Nach den Geschehnisse mit dem Drachenblut und dem schmerzlichen Verlust von Delphine war Vittoria wie eine Tochter für ihn. Sie brachte ihn wieder auf den rechten Weg der Klingen zurück und bis jetzt hatte sie stets auf seine Worte gehört.

„Nein, ich muss! Auch wenn es gefährlich werden kann. Ich hatte gehofft, das Cidius zurückkommt. Er hätte sich dann um diese Angelegenheit kümmern können. Aber das ist eben nicht passiert. Diese Sache, dieser Brief des Argoniers, ist zu wichtig, als das nicht zu verfolgen. Allein bin ich unauffälliger“, erwiderte Vittoria entschlossen.

„Ich hoffe Du weißt, was Du tust, mein Kind! Mir wäre es lieber, wenn dich ein paar Klingen begleiten würden.“

„Ich verstehe deine Sorge, aber dieses Risiko muss ich eingehen. Du weißt selbst, dass die Augen und Ohren der Thalmor überall sind. Nutze lieber unsere Leute dazu, dass man sich irgendwo sammelt. Sende Boten aus, die unsere Agenten informieren. Das hat Vorrang. Du hast selbst die Botschaft unseres Kaisers gelesen, dreihundert Mann sind einfach zu wenig, wenn es zum Kampf kommen sollte. Und dazu wird es kommen. Und dafür brauchen wir jeden Mann und jede Frau!“

Esbern nickte zustimmend. Sie hatte recht, denn so wie die Sachlage aussah, hatte man keine andere Wahl.

„Sei aber vorsichtig, hörst du! Kein unnötiges Risiko, Vittoria!“

„Du kennst mich doch, Esbern, ich bin immer vorsichtig!“, sagte sie, umarmte den alten Mann zum Abschied, nahm ihren Bogen auf und verließ das Versteck der Klingen.


- XVIII -

 

Man bettete Galmar vorsichtig auf einen Tisch im Kerker. Die drei Gefährten hatten Ulfric dabei geholfen, als kurz danach der Hofmedikus sich mit der tiefen Verletzung beschäftigte.

„Das kann doch nicht wahr sein, dass dieser Killer so mir nichts, dir nichts in den Palast eindringen und einfach so hier herumspazieren konnte! Ein Toter, drei Verletzte und keiner konnte ihn aufhalten. Was bildet sich dieser Mistkerl überhaupt ein?“

Ulfric war außer sich. Er fuhr kurz zusammen, als Galmar etwas aufschrie, als man ihm das Schwert aus der Seite zog. Auch den drei Kriegern, die in der Nähe der rechten Hand des Königs standen, erging es nicht anders. Mehr oder weniger schüttelte man den Kopf ob der unverfrorenen Dreistigkeit des Eindringlings.

„Wir können froh sein, dass es nicht in ein Blutbad ausartete. Das hätte schlimmer ausgehen können. Aber wie Cidius schon erwähnt hat, er war eher mehr darauf bedacht, sich schnell aus dem Staub zu machen, um seine dreckige Haut zu retten, als sich selbst unnötig in die Gefahr einer Festnahme zu bringen,“ erwiderte Engar grimmig.

„Nur, warum war er hier? Das ist doch die Frage, die uns beschäftigen sollte. Und genau zu dem Zeitpunkt, als wir den Thalmor verhörten. Es kann ein Zufall sein, dass dieser Cicero in diesem Moment dazu kam, das ...“

„Das war definitiv kein Zufall. Nach der Aussage des toten Kriegers - möge seine Seele in Sovngarde Ruhe finden - wusste dieser Eindringling ganz genau, wo er hinwollte. Und er wusste, dass hier unten jemand verhört wurde, der von großer Wichtigkeit war und ist. Es liegt auf der Hand, dass er von irgendwoher informiert wurde. Wenn nicht sogar von den Thalmor selbst!“, kam es ächzend aus Galmars Mund. „Verdammt tut das weh!“, fügte er dann noch hinzu.

„Das wird noch mehr weh tun, wenn Ihr nicht ruhig liegen bleibt, mein Herr!“, schimpfte der Medikus und verabreichte ihm einen schmerzbetäubenden Trunk.

„Das glaube ich weniger, Galmar Stein-Faust. Das können die Thalmor mit Sicherheit noch nicht wissen, denn die Festnahme des Agenten, fand im geheimen Kriegsrat statt. Und dies konnte noch nicht aus Windhelm an die Ohren der Thalmor gedrungen sein. Nein, nein – da steckt ein anderer Grund dahinter. Und ich befürchte, dass die Thalmor eher daran interessiert sind, dass man unsere Ermittlungen stört, dass unsere Nachforschungen behindert werden. Deshalb hat man uns diesen Cicero auf den Hals gehetzt“, meinte Cidius mit ernster Miene.

„Dem stimme ich vollkommen zu. Sein Interesse galt definitiv uns, der Agent war nur der Zuckerguss auf dem Kuchen. Und wenn dieser Killer mit den Thalmor zusammenarbeitet - und davon können und müssen wir wohl ausgehen - dann werden sie dies durch ihn bald erfahren. Und wir können im Moment nichts dagegen tun. Es sei denn...“

Faendal brach seine Erläuterung ab und blickte dabei mit versteinerter Miene in die Runde, als Cidius seinen Satz zu Ende brachte.

„...es sei denn, dass er darauf warten wird, bis wir die Stadt verlassen werden. Vielleicht ist seine Aufgabe noch nicht beendet und er hat die Lage nur ausspionieren wollen. Dass sein Hauptaugenmerk darin besteht, und das trifft wohl eher zu, dass er geschickt wurde, um uns zu töten. Besser konnte er es nicht abpassen, er hat uns eiskalt und überraschend erwischt…

Die Zeit drängt um so mehr. Wir müssen das Risiko wohl oder übel eingehen, wir haben nun keine andere Wahl. Das heißt, wir müssen Windhelm so schnell wie möglich mit diesem Agenten der Thalmor verlassen und ihn nach Einsamkeit bringen!“, sagte der junge Ermittler und Faendal konnte dem nur mit einem stummen Nicken zustimmen.

„Tsss! Seid Ihr denn alle von den Göttern verlassen? Wenn Ihr dies schon befürchtet, warum wollt Ihr dieses Risiko überhaupt eingehen? Dieser Hund... dieser Cicero... wie immer der auch genannt wird... wird da draußen auf Euch warten und Ihr wollt Euch freiwillig in seine Fänge begeben, damit er Eure Befürchtungen wahrlich in die Tat umsetzen kann? Also ich war ja schon in meinen jungen Jahren sehr verwegen, aber Ihr seid ja noch verrückter. Das, was Ihr nun vorhabt, mein junger Freund, grenzt schon an des Lebens müde sein.“

Ulfric blickte kopfschüttelnd Cidius an. Man konnte gut sehen, wie es in ihm kochte. Am liebsten hätte der König irgendetwas demoliert, um seiner Wut freien Lauf zu lassen. Doch der junge Krieger schaffte es einmal mehr, die verlorene Beherrschung des Monarchen teilweise zurückzuholen, als seine Hand sich auf die Schulter von Ulfric legte. Ein Zeichen dafür, dass beide Männer eine ungewöhnliche Beziehung eingegangen waren. Das konnten Faendal und Engar förmlich spüren.

„Mein Herr, beruhigt Euch bitte! Dass es irgendwann zu einer Konfrontation mit dem Killer kommen würde, war uns doch von vornherein bewusst. Dafür jagen wir ihn ja. Also warum noch so lange warten. Wenn, dann lieber eine offene Konfrontation mit diesem Kerl, als dass er uns heimlich ein Messer ins Kreuz jagt…

Ihr müsst langsam einsehen, dass es an der Zeit ist, Kompromisse einzugehen, ob es Euch nun passt oder nicht, wenn diese Angelegenheit auch zu Euren Gunsten gelöst werden soll...“, erwiderte Cidius energisch.

„Der Sohn des Generals hat recht, mein Herr“, stimmte nun auch Galmar mit schmerzverzerrtem Gesicht den Ausführungen des jungen Mannes zu.

„Wenn uns jemand aus dieser prekären Lage rausholen kann, dann nur mit seiner und General Tullius Hilfe. In der Beziehung habe ich schon Legat Rikke überzeugt, hoffe ich zumindest. Sie konnte es mir zwar nicht versprechen, aber sie wird es versuchen. Hört mein König! Uns sind doch hier die Hände gebunden. Dass sich bei uns ein Agent der Thalmor einschleichen konnte, zeigt doch, dass wir durch den Krieg mit dem Kaiserreich blind für unsere Umgebung geworden sind. Dass wir nicht mehr erkennen und unterscheiden können, wer Freund oder Feind ist. Aber in diesem jungen Mann hier haben wir wohl einen Freund, der uns wirklich helfen will. Wenn wir ihm schon nicht vertrauen, wem dann? Wie sagt man: „Lass einen Freund nahe an dich ran, aber meinen Feind noch näher!“ Wenn er sich schon für uns selbst notgedrungen in Gefahr begibt, dann sollte man Cidius von unserer Seite her unterstützen, damit diese Gefahr minimiert wird. Gebt ihm doch eine Einheit als Schutz für ihn und seine Begleiter mit, damit man auch sicher sein kann, dass sie und dieser thalmorische Hundesohn lebend in Einsamkeit ankommen. Vielleicht schreckt das auch den Killer ab. Ich bin mir gewiss, wenn dieser Agent der Thalmor erst einmal in den Krallen der Kaiserlichen ist, dann wird er einen Handel eingehen, damit die Thalmor ihn nicht töten lassen.“ Der verletzte Feldherr stöhnte auf vor Schmerz, es fiel ihm schwer, konzentriert bei der Sache zu bleiben. Der Trank, den ihm der Medikus vor kurzem gab, hatte seine volle Wirkung noch nicht entfaltet.

Faendal sah zu Galmar und sagte: „Das glaube ich eher nicht. Der Vogt in Einsamkeit und sein Eindringen hier war Beweis genug. Dieser Typ ist irre, aber auch verwegen genug. Sieht es mehr als eine Herausforderung, als ein Hindernis. Er mag es, wenn es schwierig wird und ist. Wenn wir eine Chance gegen ihn haben wollen, dann müssen wir ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Er ist nicht der Einzige, der trickreich sein kann...“

„Was schwebt Euch vor? Das klingt schon eher nach einem Plan als offen ins Messer zu laufen!“ Ulfric wurde hellhörig, als er die Erklärung des Elfen vernahm. Faendal sah zu ihm auf und brach eine Lanze für seinen Freund.

„Glaubt ihr wirklich, das sich Cidius blind ins Verderben stürzen würde? Mit Sicherheit nicht. Denn dieser Plan ist von ihm!“

Ulfric sah ein, das seine Unbeherrschtheit fehl am Platz war. Eigentlich konnte er den Sohn des Generals mittlerweile gut einschätzen, aber die letzten Ereignisse waren selbst für ihn zu viel.

„Ich entschuldige mich bei Euch, Cidius. Ich sollte langsam beginnen, Euren Fähigkeiten Vertrauen zu schenken. Ihr habt in den letzten Tagen und Stunden oft genug bewiesen, wie ernst Ihr es mit der Zusammenarbeit zwischen Kaiserlichen und Sturmmänteln meint. Ja, ich muss wohl lernen, auch mit Kompromissen umzugehen. Ernthaft damit zu beginnen, Euren Fähigkeiten zu vertrauen. Also lasst hören, was Ihr vorhabt.“

Cidius wollte schon mit seiner Erklärung des Plans beginnen, als er von dem verletzten Galmar unterbrochen wurde. Man konnte sehen und hören, dass der betäubende Trank des Heilers anfing zu wirken. Die Augen des Recken verdrehten sich und das, was er sagte, wurde langsam unverständlich.

„Mein Herr, bevor ich abtrete... was zum Kuckuck... habe ich da getrunken, Medikus... Ihr sollt zu... Arngeir... kommen... eine Botschaft... ein Brief...“

 

Während er in die heilende Ohnmacht fiel, rutschte ihm das zusammengerollte Schreiben aus der Hand. Ulfric ging zu ihm hin und hob die Rolle auf. Insgeheim überlegte er, was Arngeir und somit die Graubärte von ihm wollten.


- XIX -

 

„Ihre Befehle, Erzmagier Hercarilar? Eure Männer stehen bereit, mein Herr!“

Diese Frage des hochelfischen Offiziers drang unterwürfig und gleichzeitig auch militärisch zackig durch das Arbeitszimmers seines Vorgesetzten.

„Sehr gut! Ja es wird Zeit, aktiv zu werden. Ich möchte mich gern in den Nacken meines Erzfeindes setzen. Er soll spüren und sehen, dass ich da bin. Aber vorher werden wir die Akademie der Magier von Winterfeste einnehmen und zur Basis machen. Also bringt mich auf mein Schiff. Meine Aufgaben hier sind abgeschlossen und meine Anwesenheit ist hier länger nicht mehr vonnöten.“

„Werden uns weitere Personen begleiten oder nur Ihr?“

Während das der Hochelf fragte, wies er seine beiden Begleiter an, die Gepäckstücke des Erzmagiers zur Kutsche zu bringen.

„Nein, Leutnant Kardryar. Die Personen, die ich für würdig hielt an meiner Seite zu stehen, haben mich maßlos enttäuscht. Sie wären nur noch weiter hinderlich für mein Ziel. Sollen sie bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich bin mit Einsamkeit fertig. Bis auf eine Sache…

Wieviele Eurer Männer sind hier und welchen von denen vertraut Ihr bedingungslos?“

„Mit den beiden, mit denen ich herkam, warten noch dreizehn meiner besten Männer an der Kutsche. Und allen vertraue ich ausnahmslos. Ich würde ihnen mein Leben anvertrauen.“

„Hm, klingt vielversprechend. Aber soviele brauche ich nicht für das, was sie für mich tun sollen. Nun, ich werde mir die Männer selbst ansehen und entscheiden, wer mein Vorhaben umsetzen soll.“

„Jawohl, mein Herr! Und ich versichere Euch, sie werden Euch nicht enttäuschen.“

„Das, mein werter Leutnant, sei noch dahingestellt. In Eurem Interesse wäre es aber von Vorteil, wenn es wahrlich so wäre. Aber ich glaube es erst dann, wenn die Aufgabe auch zufriedenstellend ausgeführt wurde. De letzten Tage hier in Einsamkeit haben mir gezeigt, dass nicht alles so umgesetzt wurde, wie ich es zu erreichen erhoffte. Das hat man davon, wenn man sich auf inkompetente Leute verlässt, dann ist man meist verlassen. Aber lasst uns von hier verschwinden, ich kann dieses kaiserliche Gefilde nicht mehr ertragen.“


- XX -

 

In der Nähe der Eisenbundhügeln

 

Cicero hatte nach dem Vorfall im Palast der Könige schnell die Stadt unbemerkt verlassen. Er musste die Zeit nutzen, um rasch zu seinem Versteck und zur „Mutter“ zu kommen. Sein Eindringen hatte seine Gegner dazu gezwungen, selbst zu handeln. Er konnte noch beobachten, wie eine Käfigkutsche mit Verdeck zum Herrschaftshaus gebracht wurde. Damit wollte man sicherlich den Agenten nach Einsamkeit bringen. Dass dieses Gefährt schwer bewacht sein würde, damit rechnete er schon im Vorfeld. Es war eine Erschwernis, aber kein Hindernis, warum er sein Vorhaben nicht trotzdem ausführen sollte. Sein Plan stand fest, keiner sollte lebend Einsamkeit erreichen. Vor allem nicht dieser Sohn des Generals und seine Freunde. Dass der Agent der Thalmor ebenfalls sterben sollte, lag natürlich ebenso im Interesse der Auftraggeber. Es wäre verheerend, wenn dieser reden würde und das konnte im Augenblick nur er verhindern.

Keine Stunde später erreichte er das Versteck. Er ging etwas die Anhöhe hinauf und spähte in Richtung Windhelm. Der Assassine konnte von diesem Posten sehr gut die Straße beobachten. Noch war die Kutsche nicht zu sehen und auch sonst konnte man keine verdächtige Bewegungen vor der Stadt erkennen. Er hoffte innerlich, dass er sein Vorhaben noch vor der Dunkelheit erledigen könnte, denn er ahnte, dass man es ihm nicht einfach machen würde. Aber das schreckte ihn nicht ab. Er war schon oft in schwierigen Situationen, kam aber meist unbehelligt und ohne einen einzigen Kratzer aus diesen wieder heraus. Was sollte bei der nächsten Herausforderung also anders sein. „Mutter“ würde ihm sicherlich wieder einmal behilflich sein, dessen war er sich gewiss. Bis jetzt hatte „Sie“ ihn noch nie im Stich gelassen. Während er sich diesen Überlegungen hingab, sah Cicero, wie die Kutsche aus der Stadt gefahren kam. Er grinste freudig irre in sich hinein, nun hatte er knapp zwei Stunden Zeit, um alles vorzubereiten, bis der Käfigwagen an der Stelle vorbeikam, wo er angreifen wollte. Der Wagen war schwer und gewiss nicht für eine rasante Fahrt geeignet, also würde er diese Zeit brauchen, um hier vorbeizukommen. Aber als Erstes führte er seine Meditation aus, um mit „Mutter“ in Verbindung zu treten.

...

Etwa eine Stunde, bevor man die Kutsche losschickte, verließ ein kleines Kriegsschiff der Sturmmäntel den Hafen im ewigen Eis. Man hatte alle Segel gesetzt, um schnell nach Dämmerstern zu gelangen. Der Wind war günstig und nach Aussagen des Kapitäns sollte das eine Weile so bleiben. Man hatte also die Möglichkeit, schnell den Umweg zu bewältigen, den Cidius nehmen musste, um rein theoretisch vor der Kutsche in Einsamkeit zu sein, falls sein Plan klappen sollte. Den einzigen, denen diese Fahrt missfiel, waren ihre Pferde. Sie waren unruhig und nervös, denn sie waren es gewohnt, selbst über den festen Boden zu laufen und nicht von wackeligen Holzplanken getragen zu werden. Faendal hatte alle Hände voll zu tun, sie zu beruhigen. Engar näherte sich Cidius, der am Bug des Schiffes stand.

„Hoffentlich klappt es und wir schlagen diesem Cicero ein Schnippchen. Aber ich hoffe auch, dass dir sicherlich bewusst ist, dass du die Begleiter der Kutsche in den sicheren Tod geschickt hast. Das Ulfric für dieses Selbstmordkommando das Jawort gab, war selbst für mich überraschend. Er kann doch in diesen Zeiten auf keinen Mann verzichten...“

Cidius drehte sich zu ihn um.

„Das weiß ich, mein Freund, aber dazu hat uns dieser Kerl mit seinem Eindringen in den Palast gezwungen. Du hast doch selbst mitbekommen, wie Ulfric fast ausgerastet wäre, als er von meiner offenen Konfrontation mit diesem Killer hörte. Nur so konnten wir ihn dazu bewegen, uns den Thalmor zu überlassen, damit wir ihn nach Einsamkeit bringen können. Die Umstände sind eben so. Ulfric hätte auch nein dazu sagen können, dann wären wir gezwungen gewesen, uns einen anderen Plan zu überlegen. Allerdings hatten und haben wir dafür keine Zeit mehr, man hat uns zum schnellen Handeln gezwungen. Wir können nur hoffen, dass nicht alle der acht Männer Cicero zum Opfer fallen. Die Umstände verlangen jedoch Opfer, damit wir unser Ziel erreichen können. Es klingt hart, aber es ist nun mal so. Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir uns selbst um diesen Kerl gekümmert hätten“, erwiderte der junge Mann hart.

„Stimmt schon, nur hätten wir damit den Thalmor nicht aus der Stadt bekommen, wenn es nach Ulfric gegangen wäre. Habe es ja selbst miterlebt, wie seine Reaktion war. Ich möchte um keinen Preis der Welt an seiner Stelle stehen. Zu entscheiden wer stirbt oder lebt, das wäre zu viel für mich, das könnte ich nicht.“

„Das kann ich gut verstehen, Engar. Sollte Cicero dieses Ablenkungsmanöver bemerken, und das wird er, dann wird er uns jagen oder vor Einsamkeit auf uns warten. Dessen bin ich mir sicher, so einfach wird er nicht aufgeben“

...

Cicero hatte seine Meditation beendet, stand auf, berührte das Amulett und wieder kam der schwarze Schleier aus der Totenkiste und verschwand in dem Juwel. Kurz darauf wallte der Schleier in seinen Augen und füllte diese vollkommen aus. Wie ein Mensch, der nicht Herr seiner selbst war, nahm er den Bogen auf und ging zum Felsvorsprung, der etwas über die Straße ragte. Dann sah er in Richtung Kutsche. Noch war sie weit entfernt, aber für ihn war sie zum Greifen nah. Seine Magie erlaubte es ihm, in jedes Gesicht zu blicken und dieser Umstand verriet ihm, dass seine Ziele nicht dabei waren. Das machte ihn stutzig. Hatte man sich entschlossen, den Gefangenen nicht selbst zu begleiten? Ist etwas in Windhelm vorgefallen, was die Leute dort dazu bewegte, diese Kutsche nicht zu begleiten?

Noch konnte er sich nicht selbst davon überzeugen, dass der Gefangene auch wirklich in dem Käfig war, das Verdeck verhinderte es im Moment. Doch in dem Killer kam ein anderer Verdacht auf. Dass hier etwas nicht stimmte, lag klar auf der Hand. Entweder war es eine Falle oder nur ein Ablenkungsmanöver. Und Cicero war sich sicher, dass es das Zweite war. Irrsinnige Wut stieg in ihm auf. Er wartete, bis die Kutsche unter ihm vorbeifuhr, jetzt konnte er in das Innere des verdeckten Käfigs blicken. Da saß zwar jemand, aber es war mit Sicherheit kein Thalmor, auch wenn man ihm dessen Kleidung angezogen hatte.

„Mutter... Cidius will mich veräppeln!... Cidius muss aber dafür eher aufstehen... Cidius soll da hinriechen, wo ich schon hingeschissen habe... Cidius meint ein Spielverderber zu sein... Aber niemand ärgert Cicero!“

Als er mit diesem inneren Zwiegespräch fertig war, hob er den Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne.

„Keiner spielt mit Cicero!“, kam es irre über seine Lippen, als der Pfeil die Sehne verließ. Er hatte auf den mittleren Reiter gezielt, der mit zwei anderen Reitern das Ende des Trupps bildete. Kurz darauf sprach Cicero einen schwarzen Zauberspruch aus und aus dem einen Pfeil, der auf das Ziel zuraste, wurden urplötzlich drei. Die Geschosse schlugen gleichzeitig ein, die drei Reiter wurden im selben Augenblick getroffen und fielen tödlich verwundet aus dem Sattel. Der Killer legte einen weiteren Pfeil auf, er war noch nicht fertig.

...

Denn der Tod spielt nicht. Wenn für Jemanden die Zeit gekommen ist, ihn zu begleiten, dann gibt es kein Entrinnen. Niemand kann sich daraus befreien, wenn sich erst einmal die Hand des Todes auf ihn gelegt hat.


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