DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 4 - Der Tod spielt nicht -


- XIII -

 

Noch immer konnte man bei dem Thalmoragenten Meryaran seine Zunge nicht lösen. Noch immer schwieg er wie ein Grab. Auch die Androhungen der Folter ließen ihn weiterhin kalt. Andererseits sahen Ulfric und Cidius ein, das Folter hier nichts bringen würde, auch wenn der König nur zu gerne Hand anlegen würde, und sei es auch nur, um seine steigende Aggression an irgendjemandem abzureagieren. Cidius hatte mehr damit zu tun, den Mann zurückzuhalten, als vernünftig die Befragung durchzuführen. Auch wenn es ihm ebenfalls in den Finger juckte, Informationen aus diesem Hochelfen herauszuprügeln, war ihm Folter dennoch zuwider.

„Das bringt alles nichts, werter Ulfric! Er wird nicht reden. Es gibt da nur eine Alternative, ich muss ihn nach Einsamkeit zu meinem Vater bringen. Er ist der lebende Beweis dafür, dass die Thalmor an dieser Verschwörung beteiligt sind. Und glaube mir, Mann,...“, dabei schaute er Meryaran mitleidig an, „...dass mein Vater nicht so gnädig sein wird und deine dreckige Haut schonen wird!“

„Und Ihr denkt das bringt etwas, wenn Ihr ihn nach Einsamkeit verfrachtet?“ Die Skepsis in Ulfrics Worten war nicht zu überhören.

„Schwer zu sagen... einerseits würde ich gern die Gesichter der Thalmor sehen wollen, wenn wir sie mit diesem Gefangenen konfrontieren würden. Vielleicht verleitet sie das dazu, einen Fehler zu begehen, wenn sie versuchen, ihn zu befreien oder auch zu töten, damit er für immer schweigt. Andererseit haben wir auch seinen Schriftverkehr, aber diese Papiere sind nicht beweiskräftig genug, könnten ja gefälscht sein...“

„Gefälscht? Soll das ein Scherz sein? Glaubt Ihr wahrlich daran, das Hercarilar nur Scherze macht? Dann habe ich Euch wohl überschätzt, junger Mann!“, unterbrach ihn Ulfric Sturmmantel wütend.

„Beruhigt Euch, mein Herr! So habe ich es nicht gemeint. Wir wissen oder sind uns sicher, dass das keine Fälschungen sind. Dass das Hiersein dieses Thalmors keine Spukgeschichte ist und dass es sich daher hier um tödlichen Ernst handelt. Denn Ihr kennt diesen alten Erzmagier besser, als alle Anwesenden hier. Er will Euch tot sehen und das lieber heute als morgen. Aber wir müssen auch die anderen - vor allem meinen Vater - davon überzeugen, das diese Beweise echt sind.“

„Cidius hat recht, mein König!“

Es war Engar, der sich nun in das Zwiegespräch einschaltete.

„Wir haben alles mitbekommen und erfahren, dass eventuell - und ich betone „eventuell“ - die Thalmor eine Verschwörung in Gang gebracht haben. Dabei bedienen sie sich der „Dunklen Bruderschaft“ und dieser ominöse Cicero soll dazugehören. Eventuell könnte er sogar unser gesuchter Killer sein. Das alles kam aus dem Mund einer jetzt toten Priesterin eines Kultes, der sich mit schwarzer Magie beschäftigt und dazu Leute opfert. Für einen normal denkenden Menschen sind das zu viele Eventualitäten. Wir haben einige Beweise in der Hand, die uns helfen könnten, die Kaiserlichen zu überzeugen. Aber das Problem dabei ist, dass Kaiserliche und Thalmor Bündnispartner sind. Wobei die Thalmor hinter dem Rücken des Kaisers ihr eigenes Süppchen kochen und ihre Partner wohl nur als Mittel zum Zweck sehen. Wir, nein, Cidius muss seinen Vater davon überzeugen, dass seine sogenannten Partner ihn nur dazu benutzen, um ihre eigenen Interessen zu vertreten. Er muss mit eigenen Augen sehen, was hinter seinem Rücken wirklich vor sich geht...“

„Nein, Engar! Nicht ich, dabei kann mir nur eine Person helfen. Sie kann ihn besser als ich überzeugen, denn diese Frau war schon immer davon überzeugt, dass die Thalmor nicht gut für den Kaiser waren und sind. Ich rede von Legat Rikke, die meinen Vater liebt und auch er fühlt sich zu ihr hingezogen. Dieser Umstand würde uns mehr dienen, als wenn ich selbst mit meinen Vater reden würde, da unser Verhältnis im Moment nicht zum Besten steht.“

„Ich soll das Schicksal meines Volkes in die Hände zweier sich liebenden Kaiserlichen legen, die mich ebenfalls lieber tot als lebendig sehen wollen? Soll das die einzige Alternative sein? Tut mir leid, werter Cidius, aber Ihr wisst wohl, was Ihr da von mir verlangt, oder? Dann töte ich doch lieber gleich hier und jetzt diese falsche Schlange und hole eigenhändig diesen Hercarilar aus Einsamkeit heraus, um dem Mistkerl höchstpersönlich das Herz aus seiner Brust zu reißen. Auch wenn ich dabei selbst draufgehen sollte!“

„Allerdings tut Ihr damit weder Euch, noch vor allem jenen, die hinter Euch stehen und Euch treu ergeben sind, einen guten Gefallen. Und ich glaube nicht, dass das auch Eurem Interesse dienlich wäre“, erwiderte Cidius kopfschüttelnd.

„Ich kann Euch gut verstehen, mein Herr, Euch sind derzeit die Hände gebunden und Euch bleiben nur Alternativen, die Euren Tod und den Eures geliebten Volkes beschleunigen würden. Und gerade ich, ein Kaiserlicher und Sohn Eures Erzfeindes in diesem Krieg, soll mit diesen Beweisen etwas bewirken, was Euch helfen könnte, diese Alternativen nicht in Erwägung zu ziehen? Es ist mir bewußt, dass ich von Euch ein unglaubliches Vertrauen verlange, obwohl dieses Vertrauen in diesem Augenblick, nach allem was geschehen ist, nicht vorhanden zu sein scheint. Aber was wollt Ihr sonst tun? Die Thalmor und das Kaiserreich sind selbst für Euch zu viel. Das kann nicht gut enden, mit Sicherheit nicht...“

 

Plötzlich wurden Stimmen vor dem Kerker laut. Ein Schrei ertönte und Kampfgetümmel war zu hören. Faendal, Cidius, Engar und auch Ulfric stürmten nach draussen, aber das Einzige, was man sehen konnte, war ein Mann, der bewusstlos geschlagen, beziehungsweise niedergestochen wurde. Ulfric ging vor seinem Freund in die Knie, während die anderen drei nach oben rannten.

„Galmar, mein alter Freund! Was ist hier passiert?“


- XIV -

 

Thalmor-Botschaft in Einsamkeit.

 

Umbacalm ging in der Vorhalle auf und ab. Mal blieb er stehen und schaute sich nervös um, doch kurz darauf nahm er sein rastloses Hin- und Hergehen wieder auf. In ihm spielten seine Gedanken ein Verwirrspiel. Einerseits war er vollkommen Uneins mit sich, was er nun machen sollte, nachdem sein Oheim ihn so behandelt hatte. Er spielte mit dem Gedanken, sich bei ihm zu entschuldigen, einen Weg zu finden, sich wieder mit Hercarilar zu versöhnen. Die Frage war allerdings, wie. Aber andererseits hatte er mittlerweile genug von der herablassenden Art und Weise dieses Mannes, genauso wie von seiner Sturheit und seines irren Egoismus.

'Das kann nicht gut gehen! Er bringt uns alle vor den Henker, wenn man hinter die Gründe meines Oheims kommt. Und das wird passieren, wenn der Alte sein Spiel so weiter treibt. Ich bin nicht mit ihm nach Himmelsrand gekommen, um hier mitschuldig zu sein bei seinen Wahnsinn. Mit mir nicht, Oheim!', dachte er bei sich und blieb plötzlich stehen. Er schaute die Treppe hinauf und in die Richtung, wo sich das Arbeitszimmer von Hercarilar befand.

Die Eingangstür wurde aufgerissen und Estale kam mit ein paar Agenten hereingestürmt.

„Ich bringe diese Hure höchstpersönlich um und dieser General mit seiner gespielten Unterwürfigkeit... denkt er, ich habe das nicht bemerkt? Aber er wird mich auch noch kennenlernen!... Ich...“

Umbacalm fuhr erschrocken herum und sah in das Gesicht des Botschafters, welches wie ein böses Omen wirkte. Der vor kurzem Eingesperrte gab seinen Agenten ein Zeichen, dass sie hier warten sollten und wollte die Treppe hinaufgehen.

„Was ist den los, Estale?“, sagte Umbacalm und hielt diesen am Arm fest. Doch der Mann riss sich wieder los und schritt, ohne auf die Frage des jungen Mannes einzugehen, die Stufen hinauf. Der Thalmor schaute ihm verwirrt nach, doch dann ging er ihm kurzerhand hinterher und hörte noch, wie der Botschafter die Tür zuwarf, als er das Arbeitszimmer seines Oheims betrat.

...

Hercarilar fuhr vollkommen überrascht herum, als jemand unaufgefordert in das Zimmer kam und dazu noch die Tür wütend ins Schloss warf. Noch mehr verblüfft war der Greis, dass es Estale war, der - ohne ihn zu beachten oder zu grüßen, als ob er gar nicht hier wäre - zum Tisch ging. Dort angelangt griff er nach dem Weinkrug, dabei einen Becher suchend, aber da er keinen fand, trank er kurzentschlossen aus dem Krug. Danach fand der Krug hart seinen angestammten Platz wieder, sodass sich einige Weinspritzer über den Tisch verteilten. Erst dann schaute der Großmeister den Erzmagier an.

„Wie ich sehe, ist das Treffen mit dem General wohl nicht so gut gelaufen, Estale...“

„Nicht so gut gelaufen? In den Kerker hat er mich kurzerhand geworfen! Seine Hure hat meine Nase bluten lassen! … Man hatte mich behandelt, wie den letzten Abschaum - … mich den Botschafter des Aldmeri-Bundes! Ich werde mich persönlich um die beiden kümmern, ich werde sie...“

„Gar nichts wird du jetzt unternehmen, Großmeister“, unterbrach ihn der alte Mann barsch.

„Dass das passieren musste, habe ich vorausgesehen. Ich habe dich immer und immer wieder davor gewarnt, dass dein Risiko dabei viel zu hoch ist und unweigerlich dazu führen musste. Was hast du denn denen offenbart, dass sie so reagiert haben, hä?“

Dabei blieb er vor dem wütenden Mann stehen und sah ihm fest in seine Augen.

„Nichts weiter, bis mich diese Schlampe mit dem Mord am Erzmagier der Akademie in Winterfeste konfrontierte. Ich weiß nicht, woher sie urplötzlich dieses Wissen hatte…

Ich war wohl zu überrascht darüber, dass sie es erfahren hatte und ja, dabei sind wohl meinerseits Worte gefallen, dass wir damit zu tun haben. … Ich … ich … habe aber gesagt, dass sie das nichts angeht, dass das unsere Angelegenheit war. Und daraufhin hat mich der General in den Kerker werfen lassen. Doch keine Stunde später ließ man mich plötzlich wieder frei. Und ich...“

„...fragst dich nun warum, oder?“, unterbrach ihn wieder der alte Thalmor. Doch dieses Mal war seine Wut stärker als die von Estale.

„Eine Frage, die mich auch beunruhigt. Nur ist die mir im Moment egal. Aber nichtsdestotrotz hast du unsere Pläne in Gefahr gebracht. Mein Ziel, auf das ich so lange hingearbeitet habe. Schlimm genug, dass mein Neffe sich dabei als unnütz erwies, machst du die Angelegenheit noch schlimmer. Denkst du, der General und seine Hure können nicht Eins und Eins zusammenzählen? Denkst du, dass sie jetzt nicht unser Tun hinterfragen werden? Denkst du, die kommen nun nicht dahinter, dass wir sie nur benutzen? Dass sie nur Mittel zum Zweck sind?

Verdammt noch mal, Estale, was hast du dir dabei gedacht, hä?“, brüllte ihn nun Hercarilar an, sodass sein Gegenüber zusammenfuhr.

„Ich... ich...“, stammelte Estale kleinlaut.

„Gar nichts hast du! Bin ich nur von Vollidioten und Schwachköpfen umgeben? Du wirst nichts tun, ist das klar, Botschafter? Du lässt hübsch die Finger von den Beiden, denn du hast genug für Wirbel gesorgt. Ich brauche dich hier, Estale, kapier das endlich! Und um die Zwei kümmere ich mich höchstpersönlich. Sobald der Sohn des Generals das Zeitliche gesegnet hat, ist auch er und seine Schlampe dran. Die wissen einfach zu viel, wo sie mir dazwischenfunken könnten und dieses Risiko gehe ich mit Sicherheit nicht ein. Also noch einmal zum Mitschreiben...

DU TUST NICHTS! Außer deine Funktion hier als Botschafter und das scheint wohl schon zu viel verlangt zu sein. Ist das in deinem Schädel angekommen, Estale?“

„Ja, mein Meister“, erwiderte der Großmeister unterwürfig.

„Ich werde heute noch Einsamkeit verlassen und mich nach Winterfeste begeben. Wird Zeit, dass ich endlich selbst aktiv werde, bevor mein Vorhaben noch wie ein Kartenhaus zusammenfällt und das durch die Inkompetenz von Leuten, die ich für fähig hielt, mir dabei zu helfen. Bin aber schwer enttäuscht worden. Und nun muss ich selbst die Angelegenheit in die Hand nehmen. Verschwinde, Estale!“

Wie ein geprügelter Knabe verließ Estale das Arbeitszimmer seines Meisters.

...

Umbacalm hatte jedes Wort dieses Zwiegesprächs mitbekommen. Die Ansichten seines Oheims, auch seiner Person betreffend, trafen ihn hart. Es bekräftige aber auch seine eigenen Ansichten bei den Überlegungen, die er noch vor kurzer Zeit hatte und nun war Entschlossenheit in seinen Augen zu sehen. Als die Tür wieder aufging, versteckte er sich in der Nische neben der Tür, die um einen Pfeiler gebaut wurde. Aber Estale war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als sich um die Umgebung zu kümmern, während er die Treppe hinabstieg. Der junge Thalmor wartete noch ein paar Minuten in dem Versteck. Als die Wache an dem Arbeitszimmer vorbeikam und sich dann wieder entfernte, kam er aus der Nische und ging schnell in sein Zimmer. Er verstaute seine Waffen, zog seinen Kapuzenmantel an und verließ die Botschaft unentdeckt über den Hinterausgang.

„Ich werde die Zwei nicht aus den Augen lassen! Das darf nicht geschehen, das muss ich verhindern!“, dachte sich der junge Mann, während er das Botschaftsgelände verließ.


- XV -

 

„Ich werde wohl selbst nach Rifton reiten müssen, um an den Brief dieses Argoniers zu kommen.“

Vittoria blickte nachdenkend in den Himmel, als sie Einsamkeit verließ. Sie roch den Regen, der sich in der Ferne ankündigte. Sie ging in Richtung ihres Standes, den sie zur Tarnung führte; dass die Geschäfte schlecht liefen, berührte sie nicht. Es war ihr bewusst, dass sie das Händlerhandwerk nicht beherrschte, aber für sie war es eine perfekte Täuschung und Informationsquelle, um unauffällig an Nachrichten aus dem Kaiserreich zu kommen. Während sie am Hafen vorbeikam, sah sie den Dreimaster, der das Banner von Anvil trug. Ein Schiff, welches meist Botschaften und Order für die Klingen in Himmelsrand vom Kaiser mitbrachte. Sie sah den Kapitän, der sie schon von weitem erkannte so wie sie selbst auch ihn. Es war einer der hochrangigen Offiziere, der unter der Admiralität des Kaisers stand und selbst ein Mitglied der Klingen war. Sie beschleunigte ihren Schritt und kurze Zeit später stand sie vor dem Kommandanten des Kriegsschiffes. Die Begrüßung zwischen den Beiden war förmlich und wortlos. Danach übergab ihr der Kapitän einen kleinen Korb und ging zurück zu seinem Schiff, welches kurz danach die Leinen kappte und wieder Richtung Cyrodiil fuhr.

Vittoria schaute dem Schiff lange hinterher und bemerkte beiläufig, wie mehrere Kaiserliche Soldaten an ihr vorbeigingen. Die ihr dabei zugeworfenen schmachtenden Blicke und zweideutigen Bemerkungen ließ sie unbeachtet über sich ergehen, denn das war sie schon gewohnt. Ein unbedeutendes Übel ob ihrer Schönheit, mit der sie leben musste und konnte. Andererseits gefiel es einer Frau, wenn man über ihr wunderschönes Aussehen redete und damit die Aufmerksamkeit der Männlichkeit unweigerlich weckte.

Aber das war im Moment nicht das Interesse von Vittoria. Vielmehr interessierte es sie, warum gerade ein Kriegsschiff hier eintraf und Kontakt zu ihr aufnahm. Aber bevor sie sich dem Körbchen annahm, ging sie zu ihrem Stand vor der Ostkaiserlichen Handelsgesellschaft und schickte ihren Vorarbeiter zum Hafen, damit er sich um die Ladungen kümmern sollte. Nachdem sie nun allein war, durchsuchte sie schnell das offene Behältnis und fand einen Brief darin, der das Zeichen des Kaiser trug. Sie blickte nochmals um sich, um sicher zu sein, dass sie auch alleine war, brach das Siegel und las schnell den Inhalt des Schreibens.

 

 

Werte Vittoria Vicci,

 

Betreffend Eurer Anfrage und Bitte um Verstärkung fiel es mir schwer, mich dessen anzunehmen.

Die Augen der Thalmor und des Almeri-Bundes sind überall.

Truppenbewegungen dieser Größe sind schwer unbemerkt zu bewerkstelligen.

Es ist mir allerdings gelungen,

zwei Kriegsschiffe mit jeweils 150 Klingen bei einer versteckten Operation bereitzustellen.

Die anderen Plätze musste ich als Tarnung für General Tullius bereithalten.

Tut mir leid, werte Vittoria,

mehr war mir beim besten Willen im Moment nicht möglich!

 

Gezeichnet

Grassius Mede der I.

 

„Nur 300 Klingen gegen eine Übermacht von 5000 Thalmor. Zwei Schiffe gegen zwanzig schwerbewaffnete Galeonen. Keine besonders gute Aussichten, verdammt! Aber besser als gar nichts. Es liegt wirklich an Tullius und Ulfric selbst, dass sie sich einigen und gemeinsam gegen den Erzmagier Hercarilar vorgehen, sonst endet alles hier in Himmelsrand in einem riesigen Blutbad. Aber das liegt nun in ihren Händen. Meine Unterstützung hat Tullius, nur Ulfric Sturmmantel zu überzeugen und zu einer Einigung zu bringen, ist eine schwere Aufgabe, aber keine Unmögliche. Doch ich sollte mich nach Rifton begeben und mich um den Brief kümmern. Vielleicht ist er der Schlüssel für eine Zusammenarbeit beider Kriegsparteien...“

Während Vittoria sich diesen Gedanken hingab, versteckte sie das Schreiben des Kaisers in ihrem Kleid. Der Vorarbeiter kam zurück und meinte: „Die Waren und Vorräte werden gerade abtransportiert und in die jeweiligen Lager gebracht, werte Vittoria Vicci!“

„Das ist ja vortrefflich, Xarras! Eine andere Sache... Ihr müsst für ein paar Tage den Posten hier allein führen. Ich habe dringende Geschäfte im Rift zu erledigen und sie bedürfen keines Aufschubes. Ich hoffe, ich kann mich auf Euch verlassen!“

„Aber sicher doch, werte Vittoria! Sollte kein Problem sein!“, entgegnete etwas verblüfft der Vorarbeiter. Man hatte schon lange keine Geschäftsbeziehungen mehr in Rift, dachte er sich und blickte seiner Herrin überrascht hinterher.

„Was soll´s! Das sind wohl Belange, die einen Vorarbeiter nichts angehen, beziehungsweise interessieren sollten. Wie auch immer, sie wird schon wissen, was gut für das Geschäft ist. Wir können es gebrauchen...“, sagte er leise zu sich.


- XVI -

 

Galmar Stein-Faust erwachte mit schmerzverzerrten Gesicht, die Beule auf seiner Stirn berührend, aus seiner kurzzeitigen Ohnmacht. Dabei stellte er fest, dass er sich in den Armen seines Königs befand und dieser ihn voller Sorge anstarrte.

„Was ist passiert, mein alter Freund?“, wiederholte Ulfric seine Frage und man konnte erkennen, wie erfreut er war, dass sein langjähriger Waffenbruder und Rechte Hand am Leben war.

„Dich bringt wohl nichts so schnell um! Also was war hier los? Wer war das?“

„Keine Ahnung, mein Herr! Ein Soldat war im Thronsaal, als ich eintraf. Sonst niemand. Also fragte ich ihn, wo die Anderen seien. Dabei drehte er sich verblüfft um und sagte:

„Wie zum Henker... Egal!... Einer hatte schon vor kurzem nach Euch gesucht, Herr Galmar Stein-Faust! Und ich schickte ihn zum Kerker hinunter. Habe aber nicht gesehen, wer das war ...“

Ich war wütend, ob seiner Nachlässigkeit und stutzte diesen Trottel zusammen. Danach ging ich vorsichtig und langsam hier herunter. Da sah ich einen Mann an der Wand lehnend stehen. Zuerst dachte ich, es wäre mein alter Freund Angrenor Einst-Geehrter, weil nur er diesen Bärenhelm mit dem halben linken Ohr hatte. Aber das konnte nicht sein, denn Erstens ist er schon lange kein aktiver Sturmmantel mehr und zweitens würde er sich nie so eigenartig verhalten. Dafür kenne ich Angrenor zu gut. Also ging ich um die Ecke und sprach diesen Mann an, was er hier macht und wer er sei.

Dann ging alles plötzlich blitzschnell. Er drehte sich rasend schnell um und stürmte auf mich zu. Ich konnte gerade noch mein Schwert ziehen und wollte es ihm entgegenstoßen, doch da war er schon bei mir. Er entriss mir meine Waffe und stieß sie mir in die Seite. Dabei rammte er meinen Kopf gegen die Wand und dann sah ich nur noch Sterne, bis mich die Dunkelheit erfasste. Das waren nur Sekunden, so verdammt schnell ging das. Wer immer das war, er war verdammt gut. Und Ihr wisst selbst, dass man mich nicht so schnell in die Knie zwingt, geschweige denn in die Ohnmacht schickt. Ahhh!...“

Erst jetzt bemerkte der Feldherr die schwere Verletzung an seiner rechten Seite, wo immer noch sein Kurzschwert steckte.

„Langsam, mein Freund! Hilfe ist unterwegs! Da kannst du dich wahrlich glücklich schätzen, dass du noch am Leben bist, alter Haudegen!“, gab Ulfric lächelnd, aber trotzdem verwundert von sich.

„In der Tat, mein König!“

...

„Er ist weg! Verdammt noch mal! Und ich wette oder lege meine Hand ins Feuer, dass das unser Killer war!“

Cidius stieß einen Fluch aus.

„War verdammt mutig, sich in die Höhle des Löwen zu begeben“, erwiderte Engar nach Luft ringend ob der rasanten Verfolgung des Verdächtigen.

„Oder er verwechselt Mut mit Irrsinn! Aber er ist verdammt gut, das er auch noch die zwei Torwachen davon abbringen konnte, ihn festzuhalten.“

Dabei kümmerte sich Faendal um die beiden Sturmmäntel, die sich schwer verletzt im Schnee wälzten. Auch der alte Nord ging zu dem Elf, um ihn zu unterstützen, die beiden Wachen in eine angenehme Sitzposition zu bringen.

„Wo ist er hingelaufen?“, fragte er dabei einen der Soldaten.

„Wissen wir nicht, Herr! Er kam wie ein böses Untier über uns. Hatten keine Zeit, richtig zu reagieren, schon waren wir überwältigt. Wer immer das sein mag, Herr, er ist mit allen bösen Göttern im Bunde.“

„Nein, nur einer, der sein Handwerk bestens versteht und auch anzuwenden weiß. Wir haben es hier mit einem Kerl zu tun, der mit allen Wassern gewaschen ist. Ein gefährlicher und tödlicher Gegner“, erwiderte Engar zähneknirschend.

„Gefährlich ja, vielleicht auch tödlich. Kommt auf die Situation an. Ich denke auch, dass der Verletzte unten im Kerker noch am Leben ist. Er mag zwar ein skrupelloser Killer sein, aber er tötet nur, wenn es seinen Zweck erfüllt. Ist er in einer Zwangslage so wie in dieser, rettet er erst einmal seine Haut. Wenn dabei einer im Weg ist, wie dieser junge Mann im Thronsaal, wird er dabei einfach überrannt. Dann geht er dabei über Leichen und das macht ihn so gefährlich und unberechenbar. Er schätzt sofort die Situation ein und reagiert dementsprechend. Es erkundet sorgfältig seine Umgebung und nutzt diese perfekt, wenn eine Flucht angebracht ist. Sonst wäre er nie so schnell verschwunden gewesen. Wie auch immer dieser Killer tickt, aber immer mit dem Wissen, wie und was er dabei tut. Ja, er ist ein gefährlicher Gegner, aber nicht unfehlbar. Er wird einen Fehler machen und dann Gnaden ihm die Götter, denn ich werde es nicht!“, sprach Cidius laut aus und spuckte in den Schnee, bevor er wieder in den Palast zurück ging. Seine Freunde blickten verdutzt hinter ihm her.

„Unser Killer ist wohl deinem Partner gewaltig auf die Füße getreten Aber seine Logik und Verständnis, was für ein Typ dieser Mörder ist, ist von absolut klarer Natur. Klang ja fast so, als ob er von ihm beeindruckt wäre!“ dabei sah Engar Faendal fest an.

„Nicht beeindruckt. Das ist seine Art, sich in die Verbrecher hineinzuversetzen, wenn er sie verfolgt. So stellt er sich auf seinen Widersacher ein. Manchmal ist es für mich schon unheimlich, wie er es macht, aber andererseits hatte er stets Erfolg damit“, erwiderte Faendal.

„Na das hoffe ich doch! Komm, lass uns diese beiden Männer in den Palast schaffen, hier draußen gehen sie noch drauf!“

 

Wenn sie gewußt hätten, wie nah der Killer war, der über ihnen auf der Mauer lag, hätten sie gesehen, wie er sich innerlich über sie lustig machte. Aber die Einschätzung des jungen Kaiserlichen seiner Person betreffend, machte ihn nachdenklich. Er musste feststellen, wie gut er sich in Ciceros Wesen hineinversetzen konnte. Allerdings teilte er die Hoffnung des Nord nicht. Er ahnte vielmehr, wie sich dieser junge Mann an seine Fersen heften und diese nie wieder loslassen würde. Ein unerbittlicher Verfolger, den sich der Assassine vom Hals schaffen musste.

„Wird Zeit, Cidius, dass dich der Tod in Empfang nimmt. Es wird für mich ein Vergnügen sein, ihm dabei behilflich zu sein.“

Dabei verzog sich sein Gesicht zu einer irren Grimasse. Ungesehen erreichte er Hjerim und zog wieder seine alte Verkleidung an. Sein Entschluss stand fest. Der Thalmoragent würde Einsamkeit nicht lebend erreichen. Und nicht nur er, Cicero musste sich auch seiner Verfolger entledigen.