DER TOD WARTET NICHT


Kapitel 3 - Der Tod versucht nicht -


- IX -


Thalmorbotschaft von Einsamkeit


Estale wartete ungeduldig auf seine beiden Agenten. Er hoffte inständig, dass sie etwas aus dem Argonier herausgeholt hatten. Auch hatte er nicht vergessen, wie der Besitzer des „Zwinkernden Skeevers“ und seine Bardenhure mit ihm gestern umgesprungen waren. In ihm kam die Wut heiß hoch, als er daran zurückdenken musste.

'Jaaa! Das werden sie noch bereuen, mich so behandelt zu haben. Was bilden sich diese Leute ein, wer wir Thalmor eigentlich sind? „Stiefellecker“ des Kaisers hatte man mich genannt! Das ist doch der Witz schlechthin. Denn wir sind es doch, denen man die Stiefel küsst! Und das scheinen wohl diese Vollidioten von Imperialen zu vergessen! Aber bald werden sie erkennen und erdulden müssen, dass wir die Herren von Himmelsrand sind. Ob sie wollen oder nicht!'

Voller Inbrunst trat er gegen den Stuhl in seinen Arbeitszimmer, welcher dann krachend gegen die Wand flog. Also ob der Lärm das Zeichen war, betraten die zwei ersehnten Agenten sein Zimmer.

„Es ist erledigt!“, sagte der größere Handlanger von beiden knapp.

„Soll das eine befriedigende Aussage sein?“

Diese Mitteilung war nur mehr der zündende Funke, der die ohnedies schon angefachte Wut von Estale zum Ausbruch brachte.

„Was ist erledigt, hä? Ich will klare Antworten hören und kein schmales Gesülze! Hat er geplaudert? Weiß noch jemand von unseren Machenschaften mit der Bruderschaft? Oder ist sein Schweigen nun vollkommen?“

Beiden Agenten war anzusehen, wie die Angst ob des Wutausbruchs in ihnen hochkam. Und sie kannten ihren Herrn nur zu gut, wenn er einmal in Rage geriet. Da sollte kein Lebewesen dazwischen kommen, ohne ernsthafte Verletzungen ertragen zu müssen. Was meistens passierte, wenn nicht sogar tödliche Ausmaße annahm, wenn sich der Herr abreagierte.

„Ja, er wird nie wieder etwas sagen können von dem, was er glaubte gesehen und gehört zu haben“, begann der andere Agent nun genauer davon zu berichten.

„Trotz unseres eindringlichen Bittens sagte er kein Wort, gab nicht sein Wissen preis. Und ja, sein Schweigen ist vollkommen und treibt Richtung Meer.“

„Das reicht mir nicht! Wir müssen ganz sicher sein. Der Erzmagier würde uns vierteilen, wenn wir dabei versagen würden. Ich fühle und spüre, dass sein loses Mundwerk Gehör fand. Ich bin mir sicher, dass der Besitzer der hier ansässigen Taverne etwas aufgeschnappt hat. Ich will, dass ihr euch um Corpulus Vilius kümmert und ihm klarmacht, wer hier das Sagen hat und es keiner wagen sollte, uns in die Quere zu kommen. Wenn sich diese Schlampe von Bardin einmischen sollte, legt sie um. Vielleicht bringt das dann den Wirt zur Vernunft und er redet endlich darüber, was ich wissen möchte! Er weiß etwas und das will ich haben!“

„So sei es, Herr!“

Mit diesen Worten drehten sich beide Männer um und verließen schnell das Arbeitszimmer von Estale.


- X -


Rifton, im „Bienenstich“


Talen-Jei traute seinen Augen nicht, als er die Nachricht seines Freundes las. Er ahnte schon, dass irgendetwas Schlimmes in Himmelsrand vor sich ging, seitdem man Maven Schwarzdorn ermordet hatte. Und das lag nicht nur am Bürgerkrieg, auch wenn man hier am südöstlichen Ende von Himmelrand wenig mitbekam. Doch viele Nachrichten darüber waren erschreckend und man war froh, dass man vom Krieg weitestgehend verschont blieb.

Als Wirt erfuhr man viele Dinge, die so im Land passierten. Aber dass nun auch Freunde wie Gulum-Ei davon betroffen waren, war zwar unausweichlich, wenn man im Zentrum des Geschehens lebte, ließ in ihm jedoch trotzdem ein ungutes Gefühl hochsteigen. Seine Beine wurden weich und er musste sich hinsetzen. Keerava, seine Frau und Mitinhaberin des „Bienenstiches“ sah die plötzliche Veränderung ihres Mannes, kam hinter dem Tresen hervor und ging zu ihm.

„Was ist mit dir, Jei? Geht es dir gut?“

Sie blickte besorgt auf ihn herab und legte ihre rechte Hand auf seine Schulter.

„Lies selbst!“, murmelte er, während er ihr das Schreiben seines alten Freundes überreichte.

„Bei allen Göttern, das klingt gar nicht gut. Da gehen ja schlimme Dinge vor sich. Thalmor, „Dunkle Bruderschaft“, deren Machenschaften und Gulum-Ei mittendrin. Wir sollten Stillschweigen darüber bewahren. Denn wenn Maul davon Wind bekommt, dann sieht es für uns auch nicht gut aus. Ich traue diesem Typ alles zu, nicht nur, dass er ein Spion dieser Bruderschaft zu sein scheint. Und du weißt selbst, was diese „Bruderschaft“ unserer Rasse antut, wenn man nicht zu deren Sklaven werden möchte. Dass man unsere Leute zu Meuchelmördern und Attentätern ausbildet und dann auf Tamriel loslässt. Vergiss meinen Bruder Veezara nicht, der bei der Bruderschaft dient und sich da anscheint wohlfühlt. Die werden jetzt noch mehr die Augen und Ohren offen halten, seit Maven das Zeitliche gesegnet hat, weil sie auch im Bunde mit diesem Mörderclan war. So sagt man es zumindest. Ich will nichts mit denen zu tun haben und will auch nicht, dass uns dasselbe passiert, wenn wir in diesem Punkt unvorsichtig sind!“

Ihre Sorge um ihr eigenes Leben und das ihres Mannes war berechtigt. Talen-Jei konnte sich allerdings nicht damit abfinden.

„Soll ich meinen Freund einfach seinem Schicksal überlassen, ohne etwas dagegen zu tun? Das kann doch nicht dein Ernst sein!“

„Mit wem willst du darüber reden, hm? Vielleicht mit Laila Recht-Sprecher? Sie schafft es nicht einmal hier in Rifton für Recht und Ordnung zu sorgen. Und sie steht zwar zu den Nord und Ulfric Sturmmantel, aber das sind Probleme, die weit weg von hier stattfinden und uns nichts angehen sollten, wenn uns unser Leben lieb ist. Und wer sagt uns, das Gulum-Ei nicht schon tot ist! Ich wusste immer, dass das mit ihm irgendwann mal passieren würde, weil er immer seine Nase in Sachen reinsteckte, die ihn absolut nicht angingen. Und ihn immer in Schwierigkeiten brachten, wo du ihn rausholen musstest. Selbst schuld, sage ich da nur!“

„Ja, Ja! Bitte verschone mich mit deiner Abneigung von Gulum-Ei. Aber er ist oder war mein bester Freund. Und auch dir hat er schon oft geholfen und du hast seine Septime stets angenommen, ohne zu fragen, woher die waren. Vergiss das nicht!“

„Lass uns jetzt nicht deswegen streiten! Du kannst ihm im Moment nicht helfen. Wie auch! Wir können uns erst einmal nur ruhig verhalten und nichts davon nach Außen tragen. Vielleicht ergibt sich irgendwann eine Möglichkeit, wo du dieses Wissen los wirst. Bis dahin, denke an uns, ja?“

„Hast ja recht... Ich hoffe aber inständig, dass jemand kommen wird, der damit etwas anfangen kann. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass Gulum-Ei noch am Leben ist und es ihm gutgeht. Das wünsche ich mir sehr!“


- XI -


Von Windhelm zum Gipfel, wo Boethiahs Schrein stand, war es eigentlich nicht sehr weit, wenn man den Höhenunterschied außer Acht ließ. Der kleine Trupp um Cidius erreichte den Verräter-Posten, der sich unweit am Aufstieg zum Ziel befand.


Man stieg einige Meter entfernt von den Pferden ab und blickte misstrauisch zum Posten herüber, der verlassen zu sein schien. Trotzdem zogen sie die Waffen und durchsuchten die Gegend nach Banditen, da dieser Ort ein beliebter Treffpunkt von Verbrechern jeglicher Art war. Auch die Hütte ließ man nicht aus, welche genauestens inspiziert wurde.

Engar stellte fest, dass das Feuer im notdürftigen Kamin noch brannte und Hinweise darauf hindeuteten, dass man den Banditenposten erst vor einigen Minuten fluchtartig verlassen hatte. Auch Faendal kam zu diesem Schluss, als er in deren Spuren im Schnee las, die in Richtung des Hafendeltas von Windhelm wiesen. Sein Freund trat zu ihm und auch Engar kam langsam aus der Hütte und stellte sich hinter den Bosmer, der immer noch hockend die Fährte betrachtete.

„Und was meint Ihr, Faendal? Die waren schnell weg, als man uns wohl gesehen hat. Ich glaube, wer diese Banditen auch waren, so schnell kommen die nicht wieder!“

Auch der Nord schaute nun an den Spuren entlang, bis sie sich in der Waldlichtung verloren.

„Ihr habt recht, Engar! Wer immer auch hier war, hatte es sehr eilig von hier zu verschwinden. Sie dachten wohl, dass unsere Anwesenheit ihnen galt. Wie auch immer, ja, der Meinung bin ich auch; die sehen wir in nächster Zeit nicht wieder.“

Der Waldelf stand auf und drehte sich zu seinen Freunden um.

„Dann sollten wir diese Gelegenheit nutzen und unsere Pferde hierlassen. Wir drei sollten erst einmal ohne die Verstärkung da hoch klettern und das Lager ausspionieren. Ich möchte vorbereitet sein, wenn wir den Kult angreifen sollten und Ich will wissen, mit wieviel Anhängern wir zu tun haben werden.“

Man nickte zustimmend zu Engars Überlegungen.

„Sehe ich ebenso. Es wird nicht einfach werden, dass wir unentdeckt da hoch kommen. Nach allem was ich nun über diesen Kult erfahren habe, werden die nicht freiwillig ihr Wissen preisgeben. Das wird eine blutige Angelegenheit, da werden nur schlagkräftige Argumente die Lösung sein.“

Während er das sagte, blickte der junge Mann nachdenklich zum Gipfel hinauf.

„So sei es! Ich werde den Rest unserer Männer instruieren, dass sie sich in der Zeit, bis wir wieder zurück sind, bereithalten sollen.“

Nach diesen Worten entfernte sich Engar von den beiden und rief die Sturmmäntel zusammen.

Die Sonne stand hoch, der hellblaue Himmel war klar. Der Blizzard, den der alte Nord vor zwei Stunden beim Abmarsch spürte, ließ noch auf sich warten. Die beiden Freunde gingen in die Hütte und legten alles ab, was beim Aufstieg hinderlich sein könnte. Nur die Waffen und den Pelzumhang nahm man mit, als man die Hütte wieder verließ. Engar hatte es seinen neuen Freunden gleichgetan und war nur mit seiner riesigen Kriegsaxt bewaffnet.

„Ich würde die schweren Umhänge hierlassen, die sind nur im Weg. Glaubt mir und so kalt ist es auch nicht. Bei der Klettertour wird euch beiden warm, da könnt ihr sicher sein!“

Also gingen die zwei Männer wieder in den Posten zurück und legten die Umhänge zu den anderen Sachen. Stattdessen holten sie die kurzen Kapuzen-Umhänge, die aus leichtem schwarzen Leder bestanden, aus den Satteltaschen und legten diese an.

„Bei Shor, ihr traut mir wohl doch nicht ganz, was? Aber ich sehe, dass ihr für alle Eventualitäten gut ausgerüstet seid. Respekt!“

Mit einem leicht sarkastischen Grinsen ging er nun in Richtung des Weges, wo der Aufstieg begann.

„Man weiß ja nie, Engar. Dunkle Sachen sind immer nützlich, wenn wir uns da ran schleichen“, erwiderte Cidius, während Feandal und er ihm nun folgten. Als man den Weg nach oben erreichte, veränderte sich plötzlich alles um sie herum.


- XII -


Einsamkeit


Die zwei vermummten Gestalten beobachteten schon seit einigen Tagen die Thalmorbotschaft. Als drei der Agenten die Botschaft verließen, verfolgte man sie und suchte Deckung im Schatten der Häuser gegenüber dem Versteck, welches die Hochelfen gewählt hatten. Dabei war den Beobachtern nicht entgangen, dass ein Argonier fluchtartig die Taverne verließ. Ebenso wie kurz danach die ihrerseits verfolgten Thalmor aus den Schatten des Etablissements traten und sich für den Echsenmann stark zu interessieren schienen. Bei ihrem Gespräch untereinander konnte man erkennen, dass das Interesse an dem Argonier sehr hoch sein musste, denn zwei der Thalmor-Agenten nahmen kurz danach die Verfolgung auf. Der andere Hochelf betrat den „Zwinkernden Skeever“ und nach ein paar Minuten verließ er ihn wieder. Die Beobachter erkannten den Ärger und die Wut im Gesicht des Altmer, welcher dann in Richtung der Thalmorbotschaft verschwand.

Man entschied sich dafür, die Botschaft weiter zu beobachten, eine Verfolgung der zwei Agenten wäre zu gefährlich gewesen. Man wollte sich nicht zeigen. Man wollte kein Verdacht aufkommen lassen, dass jemand starkes Interesse an dem Tun dieser Hochelfen zeigte. In ihren Augen, die aus den Masken hervorblitzten, konnte man den Hass, den diese maskierten Gestalten gegenüber den Thalmor hegten, förmlich sehen.


Vor ein paar Minuten konnten sie sehen, wie die zwei Thalmor-Agenten wiederkamen und die Botschaft betraten.

„Was meinst du, haben diese Männer den Argonier gefasst?“, fragte kurz danach die eine vermummte Gestalt, welche eine weibliche Stimme hatte.

„Wie auch immer, dass sie alleine zurückkommen sagt mir, dass es dem Mann nicht gut geht. Dass man ihn voraussichtlich getötet hat. Was auch immer dieser Argonier wusste, die Thalmor wurden dadurch aufgeschreckt. Sie sind gezwungen, schneller zu handeln, was wir nun auch tun müssen!

Ich werde General Tullius einen unangemeldeten Besuch abstatten, er muss erfahren, was hier vorgeht und dass er dabei nicht allein ist“, antwortete die andere weibliche Gestalt. Man wollte eben das Versteck verlassen, als die zwei Agenten ebenfalls schnell wieder aus der Thalmorbotschaft traten.

„Ich bin gespannt, wo die jetzt hinwollen. Und diesmal werden wir sie nicht aus den Augen lassen. Ich will nicht, das noch jemand stirbt, solange ich nicht selbst etwas dagegen unternehmen kann!“

Mit diesen Worten nahmen beide Frauen die Verfolgung der Thalmor auf.

„Und der General?“

„Der kann warten, denn hier sind Leben in Gefahr, so wie diese Männer aus der Botschaft herauskamen!“