In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 35 - Väterliche Zusage und eine rätselhafte Notiz -



„ Was zur Hölle sind das denn für Bestien?“ schrie einer der Leibwächter heraus.

Zwei fremdartig aussehende Drachen kamen aus der unheimlichen Nebelwand geflogen, die die kleine Gruppe um Stenvar umgeben hatte. Sie landeten genau vor ihnen auf der riesig erscheinenden freien Fläche. Sie glichen mehr riesigen Schlangen oder Würmer mit Flügel, als Drachen. Sie zischten aggressiv die kleine Gruppe an und ihre überdimensionalen gespaltenen Zungen schossen ihnen gefährlich nah entgegen.

Nur das Komische daran war, das man sich vorher auf einen steilen und schmalen Bergpfad befand. Wo es eigentlich tief nach unten gehen sollte und im Rücken eine steile Felswand sein sollte. Doch davon war nichts mehr zu sehen. Nur ein riesiger Kreis aus dickem und grauem Nebel, deren Grenze weit entfernt zu sein schien. Man könnte glauben, man stünde auf einer riesigen festen Wolke. Unheimlich.

Das war für Kematu ein deutliches Zeichen, das man sich in einer anderen Dimension befand. Das kam ihn nur zu sehr bekannt vor. „Dieses Ereignis hat aber lange auf sich warten lassen!“ dachte sich der Krieger noch.

...

Man hatte fast den Gipfel des „Halses der Welt“ erreicht und bis dato war nichts passiert, was die kleine Gruppe um Kematu und Stenvar in Schwierigkeiten hätte bringen können. Ohne große Probleme hatten die Männer von Ulfric Sturmmantel die schwere Last , während des Aufstieges nach Hoch Hrothgar ertragen. Ohne ein Wort der Klage folgten sie dem Assassine.

Kematu war etwas besorgt. Noch immer war nichts passiert. Entweder war schon der Zustand von Stenvar Grund genug, das er es ohne Zwischenfälle bis nach oben schaffen sollte. Nur das konnte sich der Krieger nicht oder kaum vorstellen. Denn danach richtet sich das jeweilige Schicksal nicht. Den die Angst vor dem Tod ist allgegenwärtig. Samara und ihm wurden diese Ängste in wahrhaft realer Form gezeigt. Und da scherte sich das Schicksal wenig um den innerlichen und äußeren Zustand des jeweils Betroffenen. Soviel hatte Kematu nun verstanden, was es hieß, sich auf diesen Pilgerpfad zu begeben. Und anders konnte es dann kaum bei Stenvar sein. Das konnte und wollte der Sohn nicht glauben, der seinen Vater um Hilfe bitten wollte.


Langsam brach die Abenddämmerung heran. In der Ferne konnte man den blutroten Himmel sehen. Die Sonne ist hinter dem Grenzgebirge von Himmelsrand untergegangen. Sie sandte noch ihre letzten rotglühenden Strahlen in den Sternenhimmel, der langsam sichtbar wurde.

Es wurde Zeit, ein Lager für die Nacht zu errichten. Den Stenvar ging es überhaupt nicht gut. Auch wenn er liegend hoch getragen wurde, waren die Strapazen seiner Träger auf ihn übergegangen. Er fieberte und die dicken Pelzdecken ließen ihn trotzdem zittern. Es war nicht die Kälte hier oben im ewigen Schnee, sondern mehr ein Schüttelfrost, der Gewalt über den kranken Mann bekam.

„Genug für Heute, auch wenn es nicht mehr weit ist! Legt vorsichtig Eure Last ab und baut das Nachtlager auf. Einer von Euch sollte Holz sammeln gehen und ein anständiges Lagerfeuer machen. Denn das werden wir brauchen! Ich rieche reichlichen Schneefall in der kommenden Nacht! Also Hopp, Hopp! Beeilung, wenn ich bitten darf! Und seid wachsam und stets kampfbereit. Noch sind wir nicht am Ziel und in Sicherheit. Ich habe Euch ja unterwegs erzählt, was Samara und mir hier oben alles geschehen war. Also Augen auf und haltet Euch gegenseitig den Rücken frei!“ ohne weitere Fragen stellten die Männer des Jarls, die Trage ab, worauf Stenvar gebettet war. Die Befehle waren eindeutig und wurden sofort in Angriff genommen.

Kematu ging zu seinem Waffenbruder und setzte sich an den Baum, unter dem man den Söldner abgelegt hatte.

„Ich merke schon, Du gibst gern Befehle, was?“ kam es schwer und schwach über Stenvar`s Lippen.

Sein Gegenüber öffnete die Trinkflasche, hob Stenvar´s Kopf leicht an und forderte ihn auf zu trinken. Er nahm Schluck für Schluck das wohltuend kalte frische Wasser zu sich. Als er nichts mehr wollte, sagte der Landsmann, „Danke mein Bruder! Das tat gut!“ bedankte sich Stenvar, während auch Kematu einen kräftigen Schluck aus der Lederflasche nahm und ihn vorsichtig zurücklegte.

„Wie hast Du eigentlich Samara kennengelernt?“ fragte er, Stenvar nach kurzer Zeit.

„Eigentlich vollkommen normal. Sie war dem Killer einer schrecklichen Mordserie in Windhelm auf der Spur. Frauen der Stadt wurden in regelmäßigen Abständen entführt, geschändet, abgeschlachtet und einfach auf dem Friedhof abgelegt, während noch das Blut aus den vielen Wunden am Körper rann. Ich frage mich heute noch, wer zu so etwas Schrecklichem überhaupt fähig sei.

Samara entschloss sich, diesem Morden ein Ende zu setzen und machte sich auf, der frischen Spur zu folgen. Die war ja auch kaum zu übersehen, so wie es immer auf den Friedhof danach aussah. Das letzte Opfer kannte ich zu gut. Es war die Bedienung Susanna, „die Durchtriebene“ aus dem Hause „Kerzenschein“, wo sich seit langer Zeit mein Wohnsitz befindet. Eigentlich seit ich schon in Windhelm ankam, wurde diese Taverne mein zu Hause.

Also! Wie ein Kundschafterin holte sich Samara von überall her Informationen ein, die zur Ergreifung des Täters dienlich waren. So kam sie auch in die Taverne und fragte alle Anwesenden aus, so auch mich und so lernten wir uns kennen. Ich bot ihr an, ihr dabei zu helfen und sie nahm meine Hilfe dankend an, da ich mich eben sehr gut in dieser Stadt auskannte. Ich schätze diese Frau sehr und sie ist für mich eine wahrhaftige Freundin geworden. Immer wenn sie meinen Waffenarm benötigte, folgte ich ihr. Egal wo es hinging. So stellte ich fest, das sie ebenfalls eine sehr besondere und nicht zu unterschätzende Kriegerin ist, die sehr gut mit Schwertern umgehen kann. Sie möchte ich nicht zum Feind haben! Und wie war es bei Dir?“ damit beendete Stenvar seine Erklärung, wie er das Drachenblut kennenlernte.

„Oh ja! Das kann ich nur bestätigen! Mit Schwertern macht ihr keiner etwas vor. Und ich muss es ja wissen, weil sie mich ausbildete!“

„Nicht wahr, oder? Sie war deine Ausbilderin?“ ungläubig blickte der Nordmann zu Kematu auf.

„Und ob! Dieses Handwerk lehrte sie ihr Vater, einer der besten Schwertkämpfer von ganz Hammerfell!“ damit erzählte er seinem Waffenbruder, wie er Samara kennenlernte, was damals in Skaven passiert war, wie sie dabei ihrem Mann und er seinen besten Freund verlor. Auch den Verlust ihrer Kinder erwähnte Kematu. Wie er sich in diese wunderschöne Frau verliebt hatte.

„Ich würde sonst wohin ihr folgen, wenn es sein muss, selbst in die Hölle!“ schloss Kematu seine Geschichte des Kennenlernens seiner Liebsten.

„Keine Sorge mein Freund! Sie ist bei Dir in besten Händen! Auch wenn ich etwas neidisch auf Dich bin. Keiner würde so eine Frau verschmähen oder er wäre ein Blindfisch vor den Göttern. Sie ist für mich wirklich nur eine sehr gute Freundin. Meine Liebe gilt nur „Heddvi“, denn dieses Schwert ist mein Leben und meine Frau. Was anderes kenne ich nicht und möchte ich nicht kennenlernen. Ich wurde als Krieger geboren und so will ich auch sterben. Da ist kein Platz für eine echte Frau oder etwa einer Familie. Nein mein Bruder! Das Kriegshandwerk ist meine Familie. Das ist das, was ich schon immer konnte und immer tun werde. Vorausgesetzt ich überlebe das hier!“

„Das wirst Du Stenvar!“ Kematu kniete sich vor dem Nord nieder, griff mit der linken Hand sanft an seinen Hinterkopf und hob ihn langsam an. Dann drückte er vorsichtig seine Stirn gegen die von Stenvar und sagte fest dabei: „Das verspreche ich Dir! Oder ich müsste mich in meinem Vater sehr täuschen. Denn Du hast es verdient, nicht nur dafür, das Du Samara immer ein Freund warst, wenn sie deine Hilfe benötigte und immer sein wirst! Das habe ich sofort erkannt, als ich Dich zum ersten Mal sah. Und so wurdest Du auch ein Freund für mich! Ich habe schon einmal einen guten Freund verloren. Das wird mir mit Dir nicht passieren. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!“ Stenvar klopfte so fest wie er konnte auf die breiten Schultern des Waffenbruders.

„Aber fang jetzt bloß nicht an, mich zu küssen! Schon gut mein Freund! Was ich für sie tat, würde jeder gute Freund für sie tun. Denn sie ist es wert! Ich hoffe und wünsche Euch beiden, wenn alles hier vorbei sein sollte, das Euer Glück, Eure Liebe vollkommen wird. Solltest Du aber ihr Herz brechen, dann wirst Du mich kennenlernen. Das verspreche ich Dir!“ das Lachen, welches er versuchte über sich zu bringen, wurde nur zu einem fiebrigen Husten. Vorsichtig bettete Kematu seinen Kopf wieder zurück und lächelnd sagte er: „Diese Gelegenheit und Genugtuung werde ich Dir nicht bieten, mein Bruder! Dafür liebe ich sie zu sehr! Das schwöre ich Dir! “


Währenddessen kamen die Leibwächters des Jarls zurück und meldeten Vollzug. Das Lager war errichtet, man hatte etwas Wild nebenbei erlegt und das Lagerfeuer war aufgestellt. Die vier Männer hoben Stenvar wieder auf und trugen ihn zum Nachtlager. Sie stellten die Trage nah an das Feuer und fingen danach an, das erlegte Wildbret auszunehmen, das Fleisch auf Holzspieße zu stecken und über das Feuer zu legen.

Nach einiger Zeit waren die Spieße fertig und alle aßen das wohlschmeckende Wildbret. Dabei leerte man auch einen Krug Honigmet. Nachdem man mit dem Mahl fertig war, wies Kematu an, das immer zwei Mann Wache halten sollten. Nach drei Stunden sollte gewechselt werden. Die letzte Wache würde dann Kematu allein durchführen. Damit alle genug Schlaf bekommen sollten.

Der große Mond ging über Hoch Hrothgar auf und schickte sein schwaches Licht in den Bereich des Lagers. Es hatte angefangen zu schneien. Kematu schob weitere Holzscheite in das Feuer, damit es in stetig voller Stärke brannte. Er blickte sich um, hüllte sich dabei tiefer in sein Pelz und sah dann nach Stenvar, der in seinen Zelt fest schlief. Danach streiften seine Blicke die zwei Wachen, die mit wachsamen Augen die Gegend beobachteten. Er merkte sofort, das man sich auf diese Männer verlassen konnte. Das sie die Ausbildung zum Leibwächter wahrlich hervorragend absolviert hatten. Nichts aber auch rein gar nichts würde diese Krieger überraschen können oder jemand könnte unbemerkt an ihnen vorbeikommen. Ihre Augen waren überall. Jede kleinste Bewegung, jedes kleinste, noch so verdächtig zu scheinende Geräusch, entging ihnen nicht. Stenvar und er waren vollkommen sicher, wenn man sich soweit sicher fühlen konnte, wenn man nicht wüsste, was so alles auf diesen Berg, auf diesem Pfad zum Kloster passieren könnte. Er legte sich neben das Feuer und schlief ein.


Kematu war allein in den letzten Stunden seiner Wache. Keine Vorkommnisse war zu verzeichnen. Der Morgen begann leise und gelassen anzubrechen. Nur das der Schneefall stetig stärker wurde. Er warf wieder einige neue Holzscheite ins Lagerfeuer und bereitete schon mal Tee für die Mannschaft zu. Er rauchte dabei seine Pfeife und musste feststellen, das sein Tabak langsam zu Ende ging. „Verdammt nochmal! Ich rauche wohl zu viel! Und so schnell komme ich wohl kaum nach Flusswald!“ dachte er sich dabei, als er den zur Neige gehenden Restes im Tabakbeutel wehmütig begutachtete.

Als es langsam hell wurde, weckte er die vier Männer auf. Auch Stenvar war schon wach. Der Schlaf hatte ihn halbwegs gut getan. Das Fieber war soweit gesunken, das er es ohne weiteres ertragen konnte. Man trank mit erfreuter und dankender Geste den heißen Tee. Dieses Getränk weckte bei den Anwesenden alle Lebensgeister. Nach einer Stunde baute man das Lager zügig ab. Man wollte so schnell wie möglich weiter, bevor das Schneetreiben zu einer Qual wurde.

Die vier Männer wollten gerade die Trage hochheben, auf die Stenvar wieder gebettet wurde, als es geschah.

...

„Das sind Serpentindrachen aus Solstheim! Giftige Abscheulichkeiten vor den Göttern! Die gleichen Mistviecher, die die Bewohner des Skaal Dorfes, Samara und mich angegriffen hatten. Sie sind der Grund, warum Ihr mich hier hoch tragen müsst. Verdammte Bestien! Und ich dachte sie wären tot! Seid bloß vorsichtig!“ rief es aus Stenvar heraus.

„Die sind tot Stenvar! Das ist nur eine Illusion. Ein Trugbild deiner Angst. Aber sehr real und mit fester Gestalt. …

Ihr Vier! Verteidigt ihn mit Eurem Leben! Ich werde versuchen, einen Drachen zu mir zu locken!“ schrie Kematu seine Order heraus. Sofort machten sich die Angesprochenen kampf- und verteidigungsbereit. Sie stellten sich im Halbkreis vor die Trage. Kematu brauchte sich keine Sorgen zu machen. Diese Männer würden ohne weiteres ihr Leben für Stenvar opfern. Auch wenn ihnen die Angst und Ungewissheit anzusehen war.

Einer der Monstren stürzte sich mit vorgestreckten Hals und aufgerissenen Hals auf die vier Beschützer. Kematu erkannte die Chance und vollzog einen heftigen Schwerthieb, der eigentlich den Hals des Drachen durchtrennen sollte. Doch er schlug ein Luftloch. Sein Hieb ließ ihn nach vorn stolpern. Er konnte seinen Körper noch rechtzeitig wieder in seine Gewalt bringen, bevor er einen schmerzhaften Sturz erlebt hätte.

Die anderen vier Männer standen wie angegossen auf ihren Platz und schauten gemeinsam zu Kematu hinüber. Man konnte den Schock förmlich von ihren Gesichtern schneiden. Sie wollten einfach nicht glauben, was hier eigentlich passierte. Erst waren zwei Bestien da und im nächsten Augenblick war der Eine wieder verschwunden. Sie hatten schon mit dem Schlimmsten gerechnet, als der Drache auf sie zu stürmte.

Nur der andere Lindwurm verschwand nicht so einfach. Er wartete geduldig ab. Stenvar würde diese Bestie noch früh genug bekommen. Nur ahnte der Drache, das seine Gegner es ihm nicht so einfach machen würden. Er ließ deshalb den Menschen den ersten Zug machen. Der Wurm wollte sehen, wie gut sie waren.

„Seid vorsichtig vor dem Giftschleim, den er Euch entgegen spucken kann. Der kann Euren Augen sehr großen Schaden zufügen. Geblendet sein, wäre noch das kleinere Übel! Ebenso darf dieses Gift nicht auf Eure Haut kommen. Sonst liegt ihr genauso hier, wie ich! Aber macht es Kematu nach! Der lange Hals ist seine Schwachstelle! Zündet Eure Fackeln an, denn vor Feuer haben diese Mistviecher große Angst!“ diese Ratschläge versuchte Stenvar seinen Verteidigern zuzurufen. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte sich selbst auf den Drachen gestürzt. Er wollte nicht so dem Tode geweiht sein. Wenn er nun sterben sollte, dann lieber kämpfend und aufrecht, so wie er es immer im Leben getan hatte. Aber es steckte auch viel Vernunft in ihm, um zu erkennen, dass das ein sinnloses Opfer wäre. Dass das unfair gegenüber den anderen wäre, die ihn bis hierhin hoch geschleppt hatten. Die an sein Überleben glaubten. Und das war der Hauptgrund, warum er der Vernunft den Vortritt ließ. Ob sie ihn nun verstanden hatten oder nicht, die vier Leibwächter holten ihre Fackeln raus und setzten sie schnell in Brand.


Währenddessen war Kematu schon an den Lindwurm dran. Es gelang ihn mit heftigen Schwerthieben seines Longclaws, dass der Drache zurückwich, um nicht von der langen Klinge erwischt zu werden. Er schoss seine lange Zunge dem Krieger entgegen, an deren Enden der giftige Geifer, wie lange schmierige Fäden heruntertropfte. Aber der Wurm traf stets nur das Schild des Angreifers. Wieder kam Kematu die Zunge entgegen, doch diesmal etwas seitlicher. Der Einschlag war heftig und es gelang dem Lindwurm damit, dass der Mann das Schild verlor, als der Krieger das stählerne Bollwerk zum Schutz hochriss. Das Schild flog mit hohen Bogen ihn aus der Hand und verschwand in der Nebelwand. Auch wurde Kematu selbst weggestoßen und war im Begriff hinzustürzen. Wieder hörte er das laute Zischen, als der Drache erneut seine Mundextremitäten dem Gestürzten zu jagte. Geistesgegenwärtig rollte er sich weg, bekam den Schwertarm frei und holte sofort im Liegen aus. Die gespaltene Zunge schlug neben ihn im Boden ein. Gleichzeitig machte der Longclaw einen großen Halbkreisbogen und zertrennte die Zunge, noch bevor der Wurm ihn zurückziehen konnte. Zitternd, hoch und runter springend, vollführte der gespaltene Rest des Mundorgans der Schlange, einen eigenartigen Tanz auf den Boden. Sie blieb dann reglos liegen, als es Kematu gelang, wieder aufzustehen. Der Lindwurm brüllte voller Schmerz in die rätselhafte Nebelwand hinein. Dabei drehte er sich, vollkommen verrückt vor Wut und schmerzhafter Qualen, im Kreis.

Nun waren auch die anderen vier Krieger an dem Lindwurm heran gekommen und traktierten ihn mit ihren Fackeln und Waffen. Mit dem Rücken zur Nebelwand gedrängt, blieb der Drache stehen und schoss seinen riesigen Schädel auf die Fackelhalter zu. Sein Maul öffnete sich und stülpte sich über den erstbesten Leibwächter hinab, der in seiner Reichweite stand. Man hörte danach nur noch seine Knochen zersplittern, als das überdimensionale Maul sich schloss. Der Kopf des Wurms hob sich, damit sein Mahl in den Körper wandern konnte. Das war die Gelegenheit für Kematu. Voller Wut über den Verlust des Kriegers sprang er ab, vollführte einen Überschlag und während der Drehung fegte sein langes Schwert herunter. Er durchtrennte den Hals mühelos und landete wieder auf beiden Füssen. Der riesige Schädel fiel krachend auf den Boden. Und mit einem lauten Knall, verschwand das Trugbild.


Die Nebelwand war verschwunden und man stand wieder da, wo man sich zuvor befand. Kematu`s Schild lag auf der untersten Stufe einer kleinen ehernen Treppe. Sein Besitzer ging zu der Treppe und setzte sich hin. Er atmete schwer und blickte zu seinen Untergebenen, die voller Trauer um ihren Kameraden neben Stenvar kauerten. Auch der Nord konnte nicht glauben, was er eben noch gesehen hatte.

„Es tut mir so leid, um euren Waffenbruder! Er war ein tapferer Mann! Er war am falschen Ort, zur falschen Zeit. Eigentlich hätte ich sein Schicksal übernehmen müssen. Er hat den Tod nicht verdient, verdammt nochmal! Er wollte mir doch nur helfen!“ Tränen liefen über sein Gesicht, als er die letzten Worte gen Hoch Hrothgar schrie.

„Ruhig Stenvar! Beruhige Dich, mein Freund! Er wusste, wie jeder von uns hier wusste, worauf wir uns eingelassen hatten, als wir den Pfad betraten. Wir wussten alle, das so etwas passieren kann, wenn wir uns Deinem Schicksal stellen. Wir wussten alle, das dabei ein tödliches Ende geschehen kann. Also Stenvar! Wir waren und sind alle am richtigen Ort, zur richtigen Zeit! Du hast dank uns überlebt und das war unser Ziel. Falls nicht noch eine Erscheinung eintreten sollte und dieses Ziel ein weiteres Mal gefährdet wird. Noch sind wir nicht im Kloster! Noch sind wir alle nicht in Sicherheit! Also beruhige Dich mein Waffenbruder! Wir wissen alle, was wir hier tun!“ erwiderte Kematu entschlossen und fegte die eigenen Schuldzuweisungen seines liegenden Gegenübers einfach weg.

„Dem kann ich nur zustimmen!“ rief einer der drei übriggebliebenen Männer Stenvar zu.

„Wir sind hier, um Euch nach Hoch Hrothgar zu bringen, das ist unser Befehl und nichts auf der Welt kann uns von dieser Order abbringen!“ Alle drei Krieger schlugen ihre rechte Hand, fast gleichzeitig fest auf die linke Brustseite dort, wo sich das Herz eines Menschen befand.

„In Ordnung! Ich beruhige mich schon! Ich kann mich nur bei Euch, liebe Gefährten, bedanken für das, was ich für mich tut! Das kann ich nie wieder gut machen!“ seine Stimme wurde wieder leiser und weitere Tränen flossen über sein Gesicht.

„Bedanken kannst Du Dich im Kloster! Noch sind wir nicht drin! Also lasst uns hier verschwinden!“ Kematu ging nun zum linken Fußende der Trage und die anderen drei Männer traten an ihre Positionen. Zusammen hoben sie Stenvar hoch und führten ihren Aufstieg fort.

Es passierte keine weitere Erscheinung, als sich die schwere Eingangstür hinter ihnen schloss. Man war in Sicherheit.


Arngeir hatte die kleine Gruppe schon erwartet. Man stellte vorsichtig die Trage ab und alle Männer, auch Kematu gingen vor dem Ältesten der Graubärte auf die Knie.

„Mein Sohn! Meine Herren! Steht bitte auf!...

Warum kommst Du wieder und stelltest Dich einer weiteren Prüfung des Schicksals eines anderen Menschen? Wer ist der Mann? Warum begibst Du Dich erneut in so eine große Gefahr? Erkläre Dich Deinem Vater!“

„Für Erklärungen haben wir später noch Zeit genug. Ich bin hier, um Dich um Hilfe zu bitten! Im Namen des Drachenblutes und im Namen meines Herzens bitte ich Dich, mein Vater, sich Stenvar anzunehmen und ihn zu heilen. Ich weiß das Ihr das könnt! Sonst wäre Samara nicht mehr am Leben. Macht bitte das Gleiche für diesen aufrechten Krieger. Vater! Ich bitte Dich! Nein! Ich flehe Dich an!“

Sein Vater kam zu ihm und forderte ihn freundlich zum Aufstehen auf. Auch galt diese Aufforderung seinen Begleitern, derer sie dankend annahmen.

„Zeit ist relativ, mein Sohn! Man sollte sich immer Zeit nehmen, um sein Handeln zu erklären und um darüber zu reden. Deinem Freund geht es den Umständen gut, noch ist er am Leben. Dank Euch! Also kann man sich beruhigt Zeit nehmen, warum Eure Bitte meine Hilfe so dringend erfordert!“ erwiderte der alte Mann.

„Du hast ja Recht, Vater! Verzeih mir, das ich so ungestüm bin!“ damit begann Kematu zu erklären, warum er wieder zurückkehrte, warum es Samara soviel daran lag, das dieser Mann wieder zu vollster Gesundheit gelangen sollte.

„Ja! Dieser Mann hat eine zweite Chance verdient! Sei beruhigt mein Sohn! Wir werden tun, was in unserer Macht steht, damit Stenvar wieder mit voller Gesundheit und Stärke ins Leben zurückkehren kann. Es wird aber ein langer Prozess sein. Er wird nicht mehr der selbe Mensch sein, der er vorher war. Ist dies deinem Freund auch wirklich klar und bewusst?“ fragend schaute Arngeir seinen Sohn an.

„Das ist er, mein Vater!“ beantwortete Kematu entschlossen, im Namen seines Waffenbruders, die Frage seines Vaters.

Drachenblut


Ich muss Euch sprechen. Dringend.

Mietet das Dachzimmer im Gasthaus Schlafender Riese in Flusswald, und ich werde Euch treffen.


- ein Freund

...

„Was hat diese Notiz mit dem Horn von Jürgen Windrufer zu tun. Soll das ein Witz sein?“ lehnend an den Grab des Begründers, hatte Samara den Inhalt der Notiz laut vorgelesen.

Faendal hielt dabei die Fackel, damit seine Gefährtin die Notiz an Ort und Stelle lesen konnte.

„Kein Horn, aber diese blöde Einladung!“ sie trat mit voller Wucht gegen den ehernen Sargdeckel, der dann wie ein Kreisel drehend, gegen die Felswand krachte.

„Wenn ich den Verfasser dieses Zettel erwische und sich heraus stellen sollte, das dieser sogenannte „Freund“ das Horn vor uns weggeschnappt haben sollte, werde ich ihn eigenhändig unangespitzt in den Boden rammen! So wahr ich hier stehe!“ Samara nahm ihre Waffen auf und verstaute sie an ihren Platz. Dann verließ sie voller Wut die Grabkammer. Faendal folgte ihr kopfschüttelnd. Dabei sagte er:

„Dann gnade ihm die Götter! Denn, wenn man diese Frau einmal in Rage bringt, dann gibt es kein Versteck auf dieser Welt, wo man sich verkriechen könnte, um vor ihrer Rache sicher zu sein!“


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