In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 31 - Unbezahlbare Freundschaft -



Samara schaute den alten Medikus an. Nurelion`s Stirn legte sich in Falten, als er Stenvar untersuchte.

„Ich weiß nicht, wie Ihr es geschafft habt, aber das Koma tut ihm gut. Ja! Er wird wieder auf die Beine kommen. Wird zwar dauern, aber er wird es durchstehen. Seine schweren Verletzungen heilen hervorragend. Was habt Ihr ihm gegeben? Kein normaler Mensch hätte diese schwere Wunden überstanden. Es ist wahrlich ein Wunder, das er es überhaupt bis hier her geschafft hat. Aber um ganz sicher zu sein bräuchte ich das Extrakt des weißen Fläschchens!“ Nurelion schaute die junge Frau an. Sein Kopf wiegte hin und her. Seine Augen klebten regelrecht auf ihre Lippen fest, nur um zu hören, das sie auch zusagte.

„Für meinen Freund ist jede Unterstützung gut genug, die ich leisten kann. Sein Heldenmut auf Solstheim ist mit nichts auf der Welt aufzuwiegen. Ich weiß nicht, wie ich es sonst geschafft hätte, wenn er nicht den Weg für mich freigehalten hätte. Ich habe Stenvar nur meine spezielle Salbe aufgetragen, die ich aus meiner Heimat stammt. Auch die Essenzen von einer guten alten Frau, die leider getötet wurde, tat seine heilende Wirkung. Mehr konnte ich nicht in diesem Moment auf dem Schiff für ihn tun. Nichtsdestotrotz! Zuviel hat er schon für mich getan. Ich werde alles tun, damit er wieder auf die Beine kommt. Das bin ich ihm schuldig! Also! Was ist nötig, um an dieses Fläschchen zu kommen?“

Das Drachenblut ahnte, das es dabei um mehr ging, als nur ihrem Freund die gewünschte schnelle Genesung zu bringen. Dem alten Alchemist war der Umstand des schwerverletzten Kriegers wie ein Wink des Schicksals. Noch nie in seinem Leben, war er der Erfüllung seines Lebenswerkes so nahe, wie in diesem Augenblick. Die Beendigung der Suche nach der Essenz des „ersten Schnees“ war zum Greifen nahe. Diese Frau, diese Kriegerin, wäre mehr dazu befähigt, sich durch die tödlichen Untergründe Himmelsrands zu schlagen.

„Ich merke, das Ihr meine Hintergedanken deswegen erahnt. Ja! Ich will Euch nicht anlügen. Mein Leben neigt sich dem Ende. Nur die Götter mögen mir verzeihen, wenn ich noch nicht dazu bereit bin. Zu lange habe ich mich mit der Legende um dieses Fläschchens beschäftigt, als jetzt aufzugeben, als das der Tod sich zwischen mich und meinem Lebenswerk stellen könnte. Deshalb bitte Ich Euch um diesen Gefallen. Nicht nur für mich, auch für Euren Freund wird es zur schnelleren und sicheren Genesung gereichen!“ Während Nurelion sich seiner Bitte hingab, kam ein junger Mann vom ersten Stock herunter.


„Verzeiht meinem alten Meister, aber er ist nicht mehr ganz bei Sinnen. Der Wunsch ist bei ihm mittlerweile stärker als die Wirklichkeit. Gut! Es gibt keinen besseren Alchemisten und Mediziner hier in Windhelm, aber das ist auch schon alles. Ich bin mir sicher, das weiße Fläschchen gibt es nicht. Das sind doch nur Hirngespinste, die mein Meister schon zu lange hinterher jagt, so das es ihn den letzten Lebenssaft raubt.“ Quintus schüttelte nur noch den Kopf.

„Schweigt! Ich will und möchte jetzt nicht mit Dir darüber diskutieren. Ich bin mir absolut sicher, das das weiße Fläschchen existiert. Entschuldigt meinen Assistenten, aber dieser Jungspund hat keine Ahnung. Ich bin mir sicher, das es in der verlorenen Höhle ist und sich in der darin befindlichen Krypta befindet!“ Seine Augen strahlten eine irre Gewissheit aus. Seine Informationen gaben ihm die Sicherheit, auf die er lange gewartet hatte.

„Also gut! Ich glaube Euch! Aber ich denke, das es einen Haken dabei gibt. Das ich nicht so ohne Weiteres an dieses Gefäß heran kommen werde. Aber wie auch immer, ich werde Euch diese Fläschchen besorgen!“ Samara blickte den alten Alchemisten an, der sich wieder um Stenvar kümmerte. Während er die Verbände erneuerte, sagte er:

„Eure Ahnung ist gerechtfertigt. Untote bewachen den kostbaren Schatz. Curalmil, ein ehemaliger sehr bekannter Alchemist war der Schöpfer dieser legänderen Essenz. Er wurde getötet und fristet nun sein Dasein als untoter Drachenpriester in der verlorenen Krypta. Er ist es nun, der den kostbaren Schatz bewacht. Also es wird kein Zuckerschlecken, wenn ihr zu ihm vordringt!

„Damit weiß ich nun, womit ich es zu tun haben werde. Also werde ich mir eine weitere Unterstützung hinzuholen. Und ich bin mir sicher, das er mir diese Unterstützung auch gewähren wird!“

Samara dachte an Kematu. Auch wenn seine seelischen Wunden noch frisch waren, würde er ihr seine Hilfe gewähren. Sie verabschiedete sich von den beiden Alchemisten, die sich wieder ihrer Zwietracht hingaben. Manchmal sind Gelehrten schlimmer als Waschweiber, wenn diese auf ihren Standpunkt beharrten. Sie konnte den Streit immer noch hören, als sie schon längst das Haus verlassen hatte. Sie schüttelte den Kopf.


Der Abend war angebrochen. Für einen Ritt zum Hals der Welt war es schon zu spät. Also nahm sich das Drachenblut ein Zimmer in der Stadttaverne. Das Abendessen tat gut und sie freute sich darauf, endlich in einem Bett zu schlafen. Sie hoffte nur, das die Alpträume sie nicht nach Windhelm verfolgt hatten, die sie auf Solstheim erleben musste. Sie traute dem Frieden nicht, auch wenn das Drachenblut meilenweit von der besagten Insel entfernt war. Aber das weiche Bett lud Samara zum sofortigen Einschlafen ein.

Seit Langem hatte sie nicht mehr so gut geschlafen. Sie wachte gut erholt auf und ihre Laune wurde noch besser, als Samara den Schein der Sonne bemerkte, der sich durch das Mosaik der Fenster seinen Weg in das Zimmer bahnte. Sie öffnete das Fenster und ihre Lungenflügel füllten sich genüsslich mit der frischen Winterluft. Sie lauschte mit geschlossenen Augen den Gespräch zweier Frauen, die sich über Dieses und Jenes unterhielten.

Plötzlich riss sie ihre Augen auf, als ihr eine sehr bekannte Stimme einen Morgengruß hoch schickte.

„Na wenn das nicht eine Überraschung ist! Mein Gaul steht am Stall, völlig erschöpft, seine Zunge heraushängend und fast am zusammenbrechen. Und die werte Dame steht am Fenster und hält mit geschlossenen Augen Maulaffen feil. Tzzzzzzzz!“ Kematu blinzelte mit dem Augen, als die Fenster den Schein der Sonne genau auf sein Gesicht reflektierten.

„Kematu? Kematu!? Kannst Du Hellsehen? Woher wusstest Du bei allen Göttern der Welt, das ich wieder da bin?“ Ihre Kinnlade schien fast die Fensterbank zu berühren, weil sie nicht glauben konnte, wer da unten stand. Samara wusste nicht, was sie in diesem Augenblick tun sollte. Am liebsten würde sie aus dem Fenster springen, um sich von ihrem Freund auffangen zulassen. Aber die Vernunft war stärker und die Frau machte eine einladende Handbewegung zum Hochkommen. Das ließ sich Kematu nicht zweimal sagen. Wie ein Blitz rannte er los.

Lange lagen beide in den Armen und küssten sich. Wie sie Kematu vermisst hatte, wurde ihr urplötzlich bewusst. Dieser Mann war jede Sünde wert, das wurde ihr schlagartig klar, als sie sich ihm völlig hingab. Sie riss ihm seine Kleidung förmlich vom Leib, bis ihr zitternder Körper seine warme Haut berührte. Sie schmiegte sich wie ein Kätzchen an ihn, nachdem ihr Nachthemd zu Boden fiel. Kräftige Hände hoben sie hoch und trugen sie zum Bett. Während sie sich küssen, fallen beide Körper in den noch warmen Daunen. Sie gaben sich voll und ganz ihrer Liebe hin.

„Ich hielt es nicht lange auf Hoch Hrothgar aus. Mutter wurde mit allen Ehren und im Kreis der Graubärte bestattet. Auf dem Altar der ewigen Asche von Hoch Hrothgar, fand sie ihre letzte Ruhe. Es war ein stiller und sehr bewegender Abschied, den mein Vater da veranstaltete. So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber für mich selbst war es sehr bedrückend. Auch wenn wir ziemlich lange zusammen in ihrer Hütte waren, war sie doch eine Fremde für mich. Die fehlende Offenbarung, das sie meiner Mutter war, ließ mich ihren Tod nicht so fühlen, wie es angebracht wäre. Das war bei Deinem Mann und besten Freund meinerseits anders. Als Yasudo in meinen Armen starb. Und trotzdem fühlte ich, das in meinem Herz etwas verloren ging, was ich lange gesucht hatte. ...“ Kematu drehte sich auf den Rücken. Verschränkte seine Arme unter seinen Kopf und starrte nachdenkend in die Luft.

Samara drehte sich zu ihm hin und legte ihren Kopf auf seine Brust. Sie verstand, was er damit sagen wollte und wieder kamen in ihr die Schuldgefühle hoch, um des Wissens des Geheimnisses von Anise. Seine Hand strich über ihr Haar, als ob er Ihre Gedanken in diesem Augenblick gelesen hatte.

„Mach Dir bitte deswegen keine Vorwürfe. Du konntest nicht anders. Warst an einem Schwur gebunden. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Mutter es mir selbst gesagt hätte. Gelegenheit hatte sie dazu genug gehabt. Ich kann sie auch sehr gut verstehen, warum sie es damals nicht sagen wollte oder konnte. Wie auch immer! Nun ist sie tot, umgebracht von einer schwarzen Drachenbestie. Mir bleibt nur die Rache, diesem Monster ebenfalls dahin zu schicken, wo jetzt Mutter weilt. Das bin ich ihr schuldig!“ Er sah in ihre großen grünen Augen, die ihn plötzlich anstarrten.

„Ich rede nur von mir und meiner Trauer! Entschuldige! Aber trotz des schweren Verlustes, konnte ich nur an Dich denken. Ich war sehr besorgt um Dich. Wusste ja nicht einmal, wohin Dein Weg nach unserem Abschied im Wald führte. Aber der Falke meiner Mutter zeigte mir den Weg nach Windhelm. Dort erfuhr ich dann, das Du nach Solstheim aufgebrochen warst. Das Dich dabei ein ansässiger Söldner begleitete. Ich mache mir nun Vorwürfe, das ich nicht an Deiner Seite war.“ Kematu küsste sie auf die Stirn.

„Vorwürfe oder Eifersucht?“ Samaras Mund verzog sich zu einem schnippischen Lächeln. Nur der leichte Anflug von Ironie verging sofort, als sie wieder an den schwerverletzten Krieger denken musste.

„Stenvar ist nicht nur ein Söldner oder Krieger. Er ist ein wahrer Freund und unverzichtbarer Kampfgefährte, der mir schon oft den Hals gerettet hat. Ich wusste das es auf Solstheim schwer sein würde, sich dem Drachenkult und zu allerletzt Miraak zu stellen. Wäre das nicht mit Anise passiert, wärst Du mit Sicherheit dabei gewesen. Und nach Deinem Schicksalsschlag war es aber besser für uns Beide, das ich mich auf diesem Weg „allein“ begeben habe. Und Stenvar war dabei mehr als nur eine willkommene Unterstützung. Ich kann mich auf ihn immer, so wie auf Dich verlassen. Egal was auch geschehen würde. Wenn Du ihn kennenlernen würdest, wäre er dann irgendwann genauso ein Freund für Dich, wie damals mein Mann Yasudo. Nun liegt er schwerverletzt hier beim Medikus im Koma. Wiedereinmal hat sein Heldentum mir geholfen den Weg freizuhalten, den ich allein beschreiten musste.

Frea, eine uns sehr hilfreiche Kriegerin verlor ihr Leben dabei. Und wieder musste ich erleben, wie schwer es ist Freunde zu verlieren, auch wenn man sie kaum kennt. Mit jedem Verlust solcher Freunde verliere ich ein Teil meines Herzens.

Ich weiß nicht was mit mir geschehen wird, wenn ich Dich verlieren würde. Yasudo und meine Kinder waren schon schwer genug. Noch so eine Erfahrung würde mich umbringen. Das wurde mir klar, als ich Stenvar so daliegen sah. Mir wurde wieder mal bewusst, wie zerbrechlich doch eine menschliche Seele ist und sei sie noch so stark.“ Samara kuschelte sich an Kematu`s warmen Körper.

„Und wie geht es Dir persönlich? Solstheim war wohl eine weitere böse Erfahrung auf Deinem Schicksalsweg. Scheinst diese aber gut überstanden zu haben, trotz aller Umstände. Und Stenvar scheint ein interessanter Krieger zu sein, den ich gern mal kennenlernen würde!“ Er spürte ihren Herzschlag, der immer schneller wurde, je länger das Drachenblut an die Insel zurück dachte.

„Solstheim ist schon ein sehr merkwürdiger Ort in dieser Welt. Auch wenn es nicht all zu groß ist. Verbirgt es viel Geschichte, Mystik und Unvorstellbares. Man muss dieses Land selbst gesehen haben. Es ist schwer, einfach so darüber zu berichten.

Der Drachenkult mitsamt Miraak wurde durch uns zerschlagen. Aber die Wunden, die magischen seelischen Ketten der Knechtschaft werden noch lange die Bewohner mit sich herumtragen. Es wird eine Ewigkeit dauern, bis sie sich davon auch endgültig befreit haben. Die Macht eines Einzelnen mit Unterstützung eines mächtigen Deadrafürsten, war an jedem einzelnen Lebewesen zu erkennen.

Ich erinnere mich noch ganz genau an einen Satz von Frea.

„Wissen ist Macht! Aber dafür zu sein Leben auf Spiel zu setzen, ist es aber nicht wert!“ Genau das war die Ursache des unvorstellbaren Handelns des Drachenpriesters und seines Gönners, was auf Solstheim jedes denkende Lebewesen durchleben musste. Wir Menschen sind so leicht zu beeinflussen, wenn unser eigener Wille seinen eigenen Weg geht. Als ich diese Insel betrat, fühlte ich mich sofort wie ein Außenstehender, der nicht begriff, was auf Solstheim vor sich ging. Aber das war andererseits mein Glück, das ich unbefangen mich dieser Angelegenheit widmen konnte. Stenvar und ich schienen die Einzigen zu sein, die außerhalb der Macht von Miraak standen. Er hätte es fast geschafft mich in der ersten Nacht in seinen Bann zu ziehen. Aber ich konnte mich befreien, weil diese mystische Fesseln noch zu locker um meinen Geist lagen. Damit verstand ich das Wesen seiner Macht. Die Nacht, der Schlaf dieser Einwohner war sein Ausgangspunkt, um diese Fesseln auszulegen.

Auch ich habe im Verlauf dieser Geschichte ein Teil dieses Wissens, dieser Macht in mich aufgenommen, als ich die schwarzen Bücher las. Aber wenn ich dann sehe, was diese Wissen für Unheil anrichten kann, habe ich Angst vor mir selbst. Ich weiß das diese Macht, mich einen Schritt vorwärts gebracht hatte, um gegen Alduin zu bestehen. Aber habe jetzt schon Angst davor, diese auch einzusetzen, weil ich gesehen habe, was sie anrichten kann.“


Samara stand auf. Ihr nackter, leicht feuchter Körper schimmerte im Schein der Sonne, welcher das Zimmer aufhellte. Sie ging zu der Wasserschale. Ihre Hände nahmen das kühle Element auf und benetzten dann ihr Gesicht. Es tat ihr gut und wusch die Erinnerungen an Solstheim fast weg. Dann zog sie sich langsam an.

„Gut das Du hier bist, so spare ich Zeit bei einer Angelegenheit, wo ich Deine Hilfe benötige!“ Samara bemerkte, das auch Kematu sich vom Bett erhob und sich am Wasser zu schaffen machte.

„Wann brauchst Du in dieser Zeit keine Hilfe, hm?“ mit feuchtem Gesicht und einem Lächeln im Mundwinkel drehte er sich zu ihr hin.

Samara konnte nun die ganze Mannespracht, den wohlgeformten muskulösen Körper, die starken Arme sehen. Auch die Narben, die seinen langen Weg einer Assassine kennzeichneten, waren im Sonnenschein nicht zu übersehen.

„Stenvar ist noch lange nicht über den Berg, braucht der Medikus eine besondere Essenz, damit endlich die Genesung auch voll einschlägt. Aber dazu muss ich mal wieder in den Untergrund von Himmelsrand! Und das wird kein Zuckerschlecken!“ Samara war nun schon fast völlig zum Aufbruch bereit.

„Wie immer eben! Seit wir uns begegnet sind, war Dein Weg immer mit Kampf verbunden. Warum sollte das jetzt anders sein. Aber ich mag diesen Weg und werde immer dabei an Deiner Seite sein!“ Auch er war nun fast angezogen.

„Ich danke Dir für diese Momente, die ich hier mit Dir erleben durfte. Danach habe ich mich die ganze Zeit gesehnt. Ich weiß nun, wie sehr ich Dich liebe und werde Dich nie wieder irgendwo allein hingehen lassen. Egal was auch passiert!“

Sie küssten sich noch einmal fest und innig, bevor sie aufbrachen.


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