In Drachenblut geschmiedet


Kapitel 29 - Zwei getrennte Wege -


 

„41 Jahre! 41Jahre gelebt und immer suchend nach meiner wahren Herkunft, nach meinem wahren Ich. Davon zwei Jahrzehnte voller Kampf, des Tötens, des Handelns nach dem strengen Kult der Assassinen. Ohne dabei die Suche nach meinen wahren Eltern zu vergessen. Stets die Hoffnung habend, dass sie noch am Leben wären und ich sie irgendwann noch einmal sehe. Nun hatte ich beide gefunden. Mehr oder weniger wurde meine Suche mit Offenbarungen und Schicksalsschlägen gesteuert. Das einzig klare Bild ist mein Vater, mit ihm konnte ich reden wie Vater und Sohn. Auch wenn es mehr das Schicksal von Samara war, welches mich mit ihm zusammenbrachte.

Die Begegnung mit Mutter nenne ich auch schicksalhaft. Wäre Samara nicht in Ohnmacht gefallen und hätte ich nicht danach die kleine Hütte im Wald gefunden, wäre das Zusammenkommen vielleicht nie passiert. Mehr als fünf Wochen lebten wir sozusagen Tür an Tür. Ich wusste diese Frau ist etwas Besonderes. Ich fühlte mich in eine Art zu ihr hingezogen, als ob unsere Seelen zusammen gehörten, dass uns etwas verband. Vielleicht hätte ich meine Mutter direkt fragen sollen. Aber hätte sie sich dann auch offenbart? Hätte sie mir dann gesagt „Ja ich bin Deine Mutter?“ Ich weiß es nicht. Und hätte es vielleicht dieses schreckliche Ende verhindert? Nein! Das glaube ich mit Sicherheit nicht.

Das Warum und Weshalb ist nun Nebensache und verliert sich in meinem Schmerz, in meiner Trauer. Ich habe schon zu oft den Tod gesehen, ihn selbst zu den Menschen gebracht, aus welchen Gründen auch immer. Nie habe ich dies hinterfragt. Doch jetzt, da es um das eigen Fleisch und Blut geht, fühle ich die gleiche Leere. Die gleiche Leere die auch Samara fast wahnsinnig machte.

Samara! Ihr hast Du Dich offenbart. Ihr hast Du gesagt, was uns verbindet. Ich bin Dir nicht böse. Im Gegenteil! Ich gebe mir die Schuld an allem. Hätte ich mich nicht damals in den Weg von Samara gestellt, hätte ich mich nicht dazu entschlossen ihrem Schicksal zu folgen, wäre dieses Grauen vielleicht nie passiert. Vielleicht! Dies sagt sich so leicht.

Du lebtest hier einsam, unbeschützt, mit dem Schicksal hadernd. In der Hoffnung es zum Guten zu wenden. Diese Hoffnung hielt Dich am Leben. Und diese Hoffnung brachte uns wieder näher zusammen. Diese Wochen und Tage mit Dir werde ich nie vergessen. Es waren die schönsten Momente meines Lebens, die ewig einen Platz in meinem Herzen haben werden!

Vaters Wunsch eines Wiedersehens werde ich erfüllen. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn ich gesehen hätte, wie Du ihn in Deine Arme nehmen würdest und ihn küsst. Er liebt Dich immer noch. Ich habe es in seinen Augen, in seinem Herzen gesehen. Ja ich werde Dich zu ihm bringen. Denn näher kann er Dir und Du ihm nicht sein! Du im Himmel und Vater am Hals der Welt!“

Nach drei Tagen stand Kematu endlich auf. Samara unweit an einem Baum lehnend, hatte das Zwiegespräch ihres Freundes mit der Verstorbenen mitbekommen. Mit der linken Hand wischte sie sich die Tränen weg, die bei dem Gehörten den Weg ins Freie fanden.


Drei Tage voller Trotz gegen Wind und Wetter wie ein Fels in der Brandung, saß er kniend vor der Urne, vor den verbrannten Überresten seiner Mutter. Er nahm in dieser Zeit nichts zu sich. Die Bemühungen seiner Freundin waren sinnlos. Wie in Trance hatte er ihr Flehen nicht gehört, nicht hören wollen. Doch nun nahm er mit dem Aufstehen auch die Urne auf. Als Kematu sich umdrehte, sah er Samara und ihre feuchten Augen. Er nickte ihr zu, ging zu seinem Pferd und verstaute das Aschengefäß in der Satteltasche. Danach ging er zu ihr und nahm sie in die Arme.

„Ich werde zu meinem Vater reiten und gemeinsam werden wir ihr die letzte Ehre erweisen! Ich hoffe Du verstehst es! Aber Dir zur Liebe werde ich nun etwas zu mir nehmen, bevor ich mich zu ihm aufmache. Verzeih mir! Ich war mir in den letzten drei Tagen Deiner Sorge voll bewusst. Nur ich konnte und wollte sie nicht annehmen! Sieh es als Strafe an, die ich mir selbst auferlegt hatte.“ Sie gingen ins Lager zurück.

„Ich verstehe Dich voll und ganz. Nur Deine alleinige Schuldzuweisung ist fehl am Platz. Auch ich trage meinen Anteil daran. Es sind wohl genau diese Prüfungen, die ich, nein wir bestehen müssen und seien sie noch so hart und schmerzhaft. Ich werde dieses Schicksal nun forcieren. Diesen Weg werde ich jetzt allein weitergehen. Ich weiß noch nicht was ich zuerst machen werde. Entweder Solstheim oder das Horn holen. Sehe es als Schuldabarbeitung meinerseits an. Ich will und werde Alduin weitere Chancen verwehren uns Leid zuzufügen. Deshalb werde ich nicht mitkommen. Diese Trauer gehört nur Euch beiden allein. Ich wäre da fehl am Platz.“ Am Lager ankommend, nahm Samara ihre Sachen auf, schnallte sich ihre Waffen an und verstaute Vorrat in ihren Satteltaschen. Bevor sie aufsteigen konnte, wurde sie sanft herumgedreht.

„Sei vorsichtig Samara! Ich habe schon seit langem verstanden, dass man Dich nicht von etwas abbringen kann, was Du Dir in den Kopf setzt. Deshalb spare ich mir den Versuch, Dich zurückhalten zu wollen. Auch wenn ich es nicht gutheiße. Aber vielleicht sollte diese Trennung jetzt sein. Jeder von uns hat wohl jetzt eine Aufgabe allein zu erfüllen. Komm bitte wieder zurück! Geb auf Dich acht! Nur diese Bitte habe ich! Wir sehen uns auf dem Hals der Welt!“


Samara nahm seinen Kopf in beide Hände und zog ihn sanft an sich heran. Der Kuss war lang und innig. Kematu nahm ihren langersehnte Atem in sich auf. Er spürte das leichte Beben ihres Körpers, welchen er nicht mehr loslassen wollte.

Doch sie löste sanft die Umarmung, stieg auf und gab Frost die Sporen.

Kematu schaute ihr lange hinterher. Als sie nicht mehr zu sehen war, ging er ins Lager zurück und nahm ein kräftiges Mahl zu sich, bevor er sich auf den Weg zu seinem Vater machte. Doch nach ein paar Metern blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu den verbrannten Überresten der Hütte um. Lange verharrte er in dieser Position. Seine Hand wanderte zu der Satteltasche und streichelnd fuhr sie über die Ausbuchtung. Als sich plötzlich seine Sporen in die Flanken des Pferdes bohrten, bäumte sich das Pferd auf. Nach diesem Abschied sprintete sein Pferd den Anhang hinunter.

...

 

Samara bremste Frost an der Abzweigung ab. Nach links an Weißlauf vorbeiführend war der Weg zum Horn. Rechts geradewegs zum Hafen nach Solstheim. Noch war sie sich unschlüssig, welchem Pfad sie folgen sollte. Sie ließ ihr Herz entscheiden und widmete sich der schwierigeren Aufgabe. Samara wollte sich des Kultes von Solstheim entledigen, um freie Bahn für den Schicksalsweg zu haben. Während sie nun gen Windhelm ritt, entschloss sie sich, die Hilfe eines dort lebenden Freundes anzunehmen. Stenvar würde ihr mit Sicherheit diese Unterstützung nicht abschlagen.

Die Sonne hatte den höchsten Stand des Tages erreicht, als Samara durch das hohe Tor der Königsstadt trabte. Am „Haus Kerzenschein“ angelangt, stieg das Drachenblut ab und betrat die Taverne. Sie wusste seit je her, wenn man Stenvar suchte, dann fand man den Krieger hier. Kaum im Eingangsbereich angelangt, erblickte Samara ihn sofort. Er saß gelangweilt in der rechten hinteren Ecke. Sein Zweihandschwert lehnte an der Fensterbank, wartend endlich wieder geschwungen zu werden. Auch der Söldner hatte das Eintreffen von Samara sofort bemerkt.

Die Kriegerin wies der Wirtin mit zwei Fingern an, zwei Krüge Met zu dem Tisch zu bringen, während sie sich der Ecke zuwandte. Stenvar stand auf. Auch wenn er sich meist als Söldner verdingte und sich den rauen Sitten dieses Geschäftes anpasste, hat er nicht seinen guten Anstand verloren und grüßte höflich seine alte Bekannte.

„Lange nicht gesehen, werte Freundin! Na, welche Knochen eines Untoten sollen wir diesmal blank putzen!“ Freundlich bot er ihr einen bereit geschobenen Stuhl an, den sie dankend annahm. Während er sich ebenfalls hinsetzte, war die Kellnerin auch schon da und stellte das Bestellte ab. Sie fragte nach weiteren Wünschen.


„Ich würde gern etwas Gutes essen und bitte für zwei Personen!“

Samara hatte nach dem langen Ritt großen Hunger und bestellte etwas zu essen. Auch Stenvar bezog sie ein, welcher dankend annahm.

„Während des Essens können wir darüber reden, warum ich hier bin!“ Kurze Zeit später nahmen beide Krieger das köstliche Mahl zu sich.

„Ich brauche Deine Hilfe und diese Aufgabe wird nicht einfach, sondern auch gefährlich! Mein Weg führt nach Solstheim und dort muss ich mich gegen einen Drachenkult erwehren, besser gesagt muss ich mich dessen entledigen. Nicht nur des Kults, sondern auch dessen Anführers, eines Drachenblutes namens Miraak!“ Samara kam gleich auf den Punkt, warum sie Stenvar`s Unterstützung benötigte.

„Warum nicht, wann geht es los? Meine Heddvi rostet langsam ein! Und auch meine Knochen möchten langsam die sitzende Haltung vergessen. Mich dürstet nach Abenteuern und Spass und da ist es mir egal wohin es mich verschlägt! Wenn es auch das öde Solstheim sein muss!“ In den Augen des Krieger war die Sehnsucht nach Abenteuern deutlich zu sehen. Samara wusste, dass er dazu nicht nein sagen würde.

„Morgen in der Frühe geht es los! Ich muss noch die Formalitäten betreffs der Überfahrt klären! Ich danke Dir schon mal im Voraus, dass Du mich dabei unterstützt. Ich weiß nicht was uns dort erwartet, welchen Gefahren wir gegenübertreten müssen. Es wird eine Reise ins Ungewisse mit der Hoffnung einer erfolgreichen Rückkehr.“

„Ich liebe das Ungewisse. Wäre doch langweilig, wenn man gleich wüsste, womit man es zu tun hat!“ Stenvar saß plötzlich wie auf heißen Kohlen, würde sofort loslegen.

„Ruhig Blut werter Freund! Lass aber Deine Gelassenheit zu Hause, es wird kein Spaziergang. Besonnenheit und Wachsamkeit sollten unsere Begleiter sein!“

...

Nach dem Essen ging Samara zum Hafen. Der Kapitän des Schiffes, das zwischen der Insel und Himmelsrand hin und her fuhr, war sichtlich davon abgeneigt nach Solstheim zu fahren. „Keine Lust. Irgendetwas geht auf der Insel vor. Die Bewohner des Eilandes verhalten sich merkwürdig. Sind mehr verwirrt, fehlgeleitet als normal. Gleichen mehr Marionetten als Menschen mit klaren Verstand. Könnte ja eine Seuche sein oder so etwas. Deshalb bleibe ich lieber hier!“

„Aber ich muss unbedingt dorthin. Ich zahle Euch das Vierfache von dem üblichen Tarif. Bitte! Ihr könnt ja sofort zurückreisen, nachdem Ihr mich und meinen Begleiter abgesetzt habt. Aber ich habe keine andere Wahl. Nur Ihr kennt das Gewässer dorthin!“ Samaras Flehen und die Aussicht nach einen extra Batzen Gold erweichten das Herz des alten Kapitäns.

„Also gut! Ich werde Euch nach Solstheim bringen. Ich werde auf Euch und Euren Begleiter warten.“

„Vielen Dank! Morgen früh soll es losgehen!“

Kopfschüttelnd blickte er dem Drachenblut hinterher. Ihm war es vollkommen unverständlich, warum diese Frau und ihr Begleiter sich solch einer Gefahr aussetzen wollten. Andererseits ging es ihn auch nichts an. Was soll`s! Es würde wohl schon seine Gründe haben.

 

Weiter zum Kapitel 30